Entwicklungsrichtungen produktionsnaher IT-Systeme
Flexible Architekturen als Basis für neue Geschäftsmodelle
Funktionen produktionsnaher IT- oder Manufacturing Execution-Systeme bleiben voraussichtlich auch in der 'Industrie 4.0' ein zentraler Faktor. Praktiker stehen jedoch immer wieder vor der Frage, welche Entwicklungstendenzen sich in der Automatisierungspyramide zeigen - und wie sich die IT in der Werkhalle mit dem Aufkommen von Cyber-Physical-Systems weiter entwickelt. Für eine zukunftsfähige Investitionsplanung lohnt sich daher der Blick auf einige zentrale Entwicklungsrichtungen.
Es zeichnet sich bereits heute ab, dass sich die Ebenen der bekannten Automatisierungspyramide auflösen und ein neues Informationsmodell für die Industrie 4.0 erforderlich wird. Für diese Auflösung der Automatisierungspyramide sind verschiedene Basistechnologien verantwortlich: @WK Einrückung:Internet der Dinge, Cyber-Physical-Systems und Eingebettete Systeme @WK Einrückung: Die konsequente Durchdringung aller Ebenen der bisherigen Automatisierungspyramide mit Internet-Technologien und dazugehörigen Standards umfasst einerseits die eingesetzten Kommunikationstechnologien, darunter TCP/IP, bis auf die Ebene der einzelnen Sensoren und Aktoren, was durch die Standardisierung von IPV6 und weltweit eindeutige Bezeichner für Ressourcen, zum Beispiel Uniform Resource Identifier (URI) des WWW, ermöglicht wurde. Immer intelligentere Geräte mit eigenen Kapazitäten zur Kommunikation und Datenverarbeitung sorgen dafür, dass einige Funktionen von Manufacturing Execution-Systemen (MES), beispielsweise die Berechnung von Kennzahlen, auf die Geräteebene verlagert werden können.
Aktuelle Entwicklungstrends bei MES weisen darauf hin, dass die produktionsnahe IT auch angesichts einer zunehmen leistungsfähigen Automatisierung einen wesentlichen Baustein dieses Informationsmodells darstellen kann.
Serviceorientierung als Eckpfeiler aktueller Systemarchitekturen
Die bisher vielfach monolithisch anmutenden MES wandeln sich derzeit hin zu service-orientierten Architekturen. Anbieter produktionsnaher IT-Systeme am Markt entwickeln neue Werkzeuge zudem direkt im Hinblick auf Serviceorientierung. Dabei lassen sich grob die folgenden Architekturkomponenten unterscheiden (Bild 1): @WK Einrückung:Apps: Applikationen mit eigener Benutzeroberfläche, aber keiner oder eingeschränkter eigener Datenhaltung, die auf mobilen Endgeräten genutzt werden. Beispiele für produktionsnahe Apps sind KPI-Apps zur Visualisierung von Kennzahlen oder Gantt-Chart-Apps zur Darstellung von Auftragsreihenfolgen als Ergebnis einer Fertigungsfeinplanung. @WK Einrückung:MES-Services: Als Service gilt in diesem Kontext eine Einheit mit einer konkreten Funktion und eindeutigen Ein- und Ausgangsparametern. So können Funktionen als Services bereit gestellt werden - oder ein Service fasst mehrere Funktionen zusammen. @WK Einrückung:Manufacturing Service Bus: Über diesen Bus kommunizieren die Services untereinander. Dieser Service Bus dient als Kernkomponenten einer service-orientierten Architektur als Integrationsebene, um das Zusammenspiel der Services zu realisieren. Auch in heutigen MES existieren diese Komponenten schon, allerdings zugeschnitten auf den jeweiligen Hersteller. Umfassende Service-Busse, um Dienste unterschiedlicher Softwareanbieter ohne manuelle Programmiereingriffe verbinden können, existieren heute noch nicht.
@WK Einrückung:Integrationsservices: Diese Services werden zwingend benötigt, um die Verbindung zwischen MES-Service und den Maschinen, Anlagen und anderen Einrichtungen der Fabrik zu schaffen. Eine Kommunikation auf Basis von OPC-UA mit semantischem Mapping zur automatischen Anbindung von Maschinensteuerung an MES-Services ist ein Beispiel für einen solchen Integrationsservice.
Letztliches Ziel der Serviceorientierung kann es nur sein, Services unterschiedlicher Anbieter zu kombinieren, sodass Anwender zu einer echten 'Best-of-breed'-Lösung kommen.
Skalierbare Systemfunktionen durch Cloud Computing
Der grundsätzliche Ansatz von Cloud Computing liegt darin, dass Rechenleistung, IKT-Systeme und ihre Funktionalitäten nicht beim Anwender lokal installiert sind, sondern aus einem externen Rechenzentrum nach Bedarf bezogen werden. Der Anbieter einer 'Public' oder 'Private' Cloud unterstützt dafür eine komplexe Infrastruktur. Basierend auf dieser Infrastruktur können auch MES-Anbieter ihre Services anbieten. Einschlägigen Studien zufolge werden Cloud-Lösungen bereits für PLM- und SCM-Funktionalitäten, für Auswertungs- und Reporting-Funktionalitäten sowie teilweise für Qualitätsmanagement, Lagerverwaltung und Transportsteuerung angeboten.
Interoperabilität und Plug-and-work-Fähigkeit
Ein im Kontext der flexiblen, adaptiven Produktion adressiertes Thema ist die automatische Erkennung von Änderungen in der Fabrik sowie deren Verwaltung und Umsetzung. Aktuelle Entwicklungen deuten darauf hin, dass sich der Prozess der Planung und Inbetriebnahme einer Fabrik, ihrer Maschinen und Anlagen und deren Komponenten in Zukunft grundlegend verändern wird: Anlagen werden aus mechatronische Komponenten zusammengebaut, welche durch 3D-Geometrie, Kinematik und Logik als Teile von Steuerungsprogrammen gebildet werden. Diese intelligenten Komponenten 'kennen' ihre Fähigkeiten und 'wissen', in welche Anlagen sie eingebaut werden können. Gegebenenfalls ändern sie Konfigurationseinstellungen, um sich an die Fertigungsaufgabe und auch an die Anlage, in die sie eingebaut werden, anzupassen zu können. Voraussetzungen für diese Adaptivität umfassen unter anderem: @WK Einrückung:Sicherheit, zum Beispiel im dem Sinne, dass keine unberechtigten Teilnehmer oder Geräte in die Produktionsanlage eingebaut werden. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, hat das BMBF das Forschungsprojekt 'Secure Plug and Work' bewilligt. Ziel ist es, Mechanismen mit integrierter Sicherheitstechnologie durchgängig anhand von Demonstratoren zu erarbeiten, und zwar auf Basis von marktgängigen und frei verfügbaren Standards. Bei der Umsetzung sind Sicherheitsmechanismen wie Authentifizierung und Autorisierung in die Architektur produktionsnaher IKT von vornherein zu integrieren: Werkzeuge und Entwicklungsumgebungen, die beispielsweise Automation ML-kompatible Objekte erzeugen, sollen sicherstellen, dass sensible Daten frühestmöglich gegen Angriffe durch Abhören und Modifikation geschützt werden. Dazu kommen standardisierte Security-Mechanismen wie Verschlüsselung, Signieren sowie Authentifizieren von Datenobjekten und Steuerungskomponenten zur Anwendung. @WK Einrückung:Standardisierte Kommunikation vom eingebetteten System bis ins MES: Der Zugriff auf herstellerunabhängige Standards wie OPC-UA, der über eine hohe funktionale Skalierungsfähigkeit verfügt, stellen eine vielversprechende Basis-Technologie für durchgängigen Informationsaustausch dar. OPC UA kann zudem mit nur 15 Kilobyte Speicherbedarf auch in kleinste eingebettete Systeme integriert werden.
@WK Einrückung:Standardisierte Gerätebeschreibung: Eigenschaften und Fähigkeiten werden direkt auf den Geräten gespeichert und per Schnittstelle in der Steuerung angeboten. Die Gerätehersteller hinterlegen dazu Informationen in einer standardisierten Beschreibung auf den Bauteilen, die von Maschinensteuerungen oder einem überlagerten MES ausgelesen und interpretiert werden kann, etwa im AutomationML-Format. Durch die physische und informelle Integration lassen sich manuelle Aufwände bei Inbetriebnahme, Instandhaltung und Änderungen der Produktion einsparen. Weiteres Potenzial ergibt sich durch die Reduzierung von Konfigurationsaufwendungen für produktionsnahe IT: Viele hierzu erfoderliche Daten werden in vorgelagerten Engineering-Phasen bereits beschrieben und in IT-Systemen hinterlegt. Um die Begriffe der Selbstbeschreibung zu standardisieren, hat der VDI die Richtlinie 5600, Blatt 3, erarbeitet. Dort sind die Inhalte von Datenpunkten beschrieben, die zwischen Steuerung und überlagerten Systemen ausgetauscht werden. Eine Untermenge der Datenpunkte der VDI 5600-3 ist die neue Initiative 'Universal Machine Connectivity for MES' (UMCM) des MES-D.A.CH.-Verbandes, der ebenfalls die auszutauschenden Inhalte zwischen Steuerung und MES standardisiert und verbreitet.
Condition Monitoring und Software verschmelzen
Die Produktivität eines Fertigungssystems wird maßgeblich durch die produzierte Menge von Gutteilen und die Verfügbarkeit von Produktionsanlagen bestimmt. Um die Verfügbarkeit zu verbessern, rücken neue Strategien zur Wartung und Instandhaltung von Anlagen, unterstützt durch Condition Monitoring, in den Fokus. Der Trend geht hin zu Systemen, die vorausschauend Wartungs- und weitere Handlungsvorschläge im Sinne einer 'Prescriptive Maintenance' machen (Bild 2). In diesem Kontext können etwa Sensor- und Aktordaten von Produktionsanlagen genutzt werden, um einen technischen Prozess automatisch auf Optimierungspotential im Hinblick auf Ressourcenverbrauch wie Wasser oder Energie hin zu untersuchen. Softwaresysteme wiederum können das Verhalten von Produktionsanlagen diagnostizieren, das Normalverhalten abstrahieren und so frühzeitig Abweichungen wie Verschleiß oder Fehler erkennen. Im Endeffekt kann dieser Prozess durch die maschinelle Interpretation relevanter Daten auch zur Entlastung des Anlagenbedieners führen. Grundlage für solche neuen Potenziale sind Informationen über den Prozess, die von Feldgeräten wie Sensoren und Aktoren erfasst werden.
Software-basierten Dienstleistungen - auch von MES-Anbietern - eröffnen sich mit der durch Industrie 4.0 ausgelösten Entwicklung Chancen, ihr Know-how auf andere Anwendungsfelder auszudehnen: Rund um die Produktion und ihre Ausrüster können so Dienstleistungen, die auf Software basieren, zunehmen. Dazu zählen zum Beispiel Fernwartung, Verfügbarkeitsgarantien, mobile Clients zum Zugriff auf Maschinendaten, Konnektoren für bestimmte Maschinentypen und so weiter. Viele Systemanbieter verfügen über langjährige Erfahrungen, mit denen sie die Ausrüster von Produktionssystemen dabei unterstützen können, solche Dienstleistungen zu spezifizieren und zu implementieren.
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Funktionen produktionsnaher IT- oder Manufacturing Execution-Systeme bleiben voraussichtlich auch in der 'Industrie 4.0' ein zentraler Faktor. Praktiker stehen jedoch immer wieder vor der Frage, welche Entwicklungstendenzen sich in der Automatisierungspyramide zeigen - und wie sich die IT in der Werkhalle mit dem Aufkommen von Cyber-Physical-Systems weiter entwickelt. Für eine zukunftsfähige Investitionsplanung lohnt sich daher der Blick auf einige zentrale Entwicklungsrichtungen.
Es zeichnet sich bereits heute ab, dass sich die Ebenen der bekannten Automatisierungspyramide auflösen und ein neues Informationsmodell für die Industrie 4.0 erforderlich wird. Für diese Auflösung der Automatisierungspyramide sind verschiedene Basistechnologien verantwortlich: @WK Einrückung:Internet der Dinge, Cyber-Physical-Systems und Eingebettete Systeme @WK Einrückung: Die konsequente Durchdringung aller Ebenen der bisherigen Automatisierungspyramide mit Internet-Technologien und dazugehörigen Standards umfasst einerseits die eingesetzten Kommunikationstechnologien, darunter TCP/IP, bis auf die Ebene der einzelnen Sensoren und Aktoren, was durch die Standardisierung von IPV6 und weltweit eindeutige Bezeichner für Ressourcen, zum Beispiel Uniform Resource Identifier (URI) des WWW, ermöglicht wurde. Immer intelligentere Geräte mit eigenen Kapazitäten zur Kommunikation und Datenverarbeitung sorgen dafür, dass einige Funktionen von Manufacturing Execution-Systemen (MES), beispielsweise die Berechnung von Kennzahlen, auf die Geräteebene verlagert werden können.
Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik
Dieser Artikel erschien in IT&PRODUCTION MES WK 2014 - 01.04.14.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com