Überwachung aus der Cloud
Sensoren für die digitale Produktion von morgen - Teil 7/7
Im Folgenden wird ein Beispiel für eine Fernüberwachung auf Basis eines technischen Cloudsystems vorgestellt, welches bei dem weltweit operierenden Druckmaschinenhersteller Heidelberg zur Überwachung der Produktqualität aufgebaut wurde.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Druckmaschinen ist die präzise Fertigung von Druckwalzen. Das Schleifen der Zylinderoberfläche als abschließendes Fertigungsverfahren stellt eine große Herausforderung dar, weil neben den üblichen Anforderungen an Form- und Maßhaltigkeit auch optische Anforderungen an die Oberfläche über die Akzeptanz der Bauteile im folgenden Beschichtungs- und Montageschritt entscheiden. Die 100%-Prüfung der optischen Oberflächenbeschaffenheit erfolgt dabei in einem nachgelagerten Prozessschritt außerhalb der Maschinen unter Spezialbeleuchtung. Dies hat zur Folge, dass Veränderungen im Gesamtprozess Werkstück, Schleifscheibe, Werkzeugmaschine nur mit zeitlicher Verzögerung entdeckt werden können. Des Weiteren treten die Veränderungen des Prozesses vielfach schleichend auf, sodass zwar im Nachgang bei einer Rückwärtsverfolgung der Serie der Ausgangspunkt der Veränderung bzw. das Überschreiten eines Grenzwertes ermittelt werden kann, jedoch dann eine Nacharbeit von mehreren Druckwalzen erforderlich ist. Eine wesentliche Zielgröße bei der optischen Beurteilung der Zylinderoberfläche sind 'Rattermarken', mit dem bloßen Auge kaum wahrnehmbare Welligkeiten auf der Oberfläche. Die Ursache hierfür kann neben den unmittelbaren Zerspanungsparametern wie Schnittgeschwindigkeit, Vorschub und Schleifscheibendurchmesser auch in einer der Maschinenkomponenten liegen. Das Auftreten der Rattermarken und insbesondere deren Ursache sind ohne geeignete Überwachung nicht zeitlich vorhersehbar. Beim Auftreten muss aber sofort reagiert werden, um den Fehler einzugrenzen und die Nacharbeit zu minimieren bzw. die Erregerquelle auszuschalten und die Störung zu beheben.
1GB Rohdaten pro Zerspanungsstunde
Im Rahmen eines von der EU geförderten Projektes wurden der Schleifprozess von Stahlzylindern auf einer Schaudt Polygon-Schleifmaschine durch ein Expertenteam aus Forschung, Instandhaltung und Betreiber analysiert und eine Prozessüberwachung entwickelt, die im laufenden Betrieb zeitparallel die Veränderungen im Gesamtsystem aufzeichnet, bewertet und so ein frühzeitiges Eingreifen ermöglicht. Die verwendete Sensorik zur Zustandsbewertung der Maschinenkomponenten und des Prozesses sind Beschleunigungsaufnehmer. Da der Entstehungsort der für die Rattermarken verursachenden Schwingungen im Vorfeld nicht bekannt ist, wurden dreiachsige Sensoren auf den Maschinenkomponenten Spindelkasten, Werkstückspindel und Reitstock sowie ein einachsiger Sensor auf dem Maschinenbett montiert. Zur ortsauflösenden Bestimmung der Schwingungen werden zusätzlich die Maschinenkoordinaten aufgezeichnet. Bei einer Abtastrate von 12,5kHz und einer Auflösung von 16Bit für die Beschleunigungssensoren entsteht auf diese Weise pro Zerspanungsstunde an einer Maschine ca.1GByte an Rohdaten. Speicherung und Datentransfer der Rohdaten zu einem nicht vor Ort sitzenden Experten, der die Daten analysieren kann, wäre ineffizient und würden einen zu hohen Zeitaufwand bedeuten. Die in dem EU-Projekt untersuchte Maschine war in einem Werk in Deutschland installiert, der für die Datenanalyse zuständige Experte saß in Irland. Die Idee zur Fernüberwachung durch einen ortsfernen Experten basiert auf einer bereits in der Maschine implementierten Datenvorverarbeitung, welche die Daten in Informationen überführt und somit auf eine netzwerkgeeignete Größe reduziert. Hierzu wurde in der Schleifmaschine ein CompactRIO-System mit FPGA-Chip installiert, auf das der Experte außerhalb des Produktionswerks Zugriff hat. Auf diese Weise ist eine Anpassung der Datenanalyse durch den Experten möglich. Die durch die Analyse gewonnenen Informationen werden durch das System auf einem FTP-Server abgelegt und auf einem Analysemonitor angezeigt (Bild 1). Um die Anwendungsmöglichkeiten des Systems auf die Shopfloor-Ebene zu erweitern, wurde an der Maschine das dargestellte Display installiert. Auf diesem kann der Experte ausgewählte Informationen in Realtime anzeigen lassen, die dann direkt dem Maschinenbediener zur Verfügung stehen.
Modellbasierte Prozessregelung
Die Einhaltung immer weiter zunehmender Anforderungen an die heute gefertigten Produkte stellt oftmals eine Herausforderung in der Herstellung von metallischen Bauteilen dar. Das häufigste Problem ist die reproduzierbare Fertigung von geometrischen Formen. Formabweichungen können dabei z. B. durch variierende Eigenschaften der Halbzeuge oder durch Verschleiß des Werkzeuges entstehen. Üblicherweise werden die Prozessparameter auf Basis von Produktionsszenarien oder auf Basis von vergangenen Abweichungen von Soll- und Ist-Vergleichen manuell eingestellt. Die Wahl neuer Parameter hängt meist von der Erfahrung des Maschinenbedieners ab. Dies führt zu einem langwierigen und teuren Prozess, der in allen Phasen des Prozesslebenszyklus auftritt. Zudem führt der allgemeine Trend zur Miniaturisierung und zur Verringerung von Toleranzen bei gleichzeitig wachsender Materialfestigkeit zu einer weiteren Erhöhung der Prozessanforderungen. Um die Ausschussrate und die Rüstzeiten einer Produktion zu reduzieren, wurde ein modellbasierter Ansatz für eine sich selbst anpassende Steuerungsstrategie gewählt. Hierzu wird der Produktionsprozess, z. B. ein Biegeprozess, zunächst modelliert. In einem ersten Schritt wird dieser durch Variierung der Prozessvariablen analysiert, die den Prozess am stärksten beeinflussen. Dies wird durch korrespondierende Simulationen realisiert. Anschließend wird die Korrelation zwischen den signifikanten Variablen und der geometrischen Abweichung bestimmt und verschiedene selbstoptimierende Steuerungsstrategien entwickelt und getestet. Um die Simulation zu validieren und die Qualität der selbstoptimierenden Steuerungsstrategie zu testen, wurde ein spezielles Werkzeug entwickelt. Dieses verfügt über eine zusätzliche Messvorrichtung und kann auf universellen Testmaschinen benutzt werden. Beim Test der selbstoptimierenden Steuerungsstrategien unter realen Produktionsbedingungen konnte der interessierende Prozessparameter, das Öffnungsmaß des Biegeprodukts, vollständig innerhalb der Toleranzen gehalten werden, so dass eine Ausschussrate von 0% erreicht wurde.
Zusammenfassung und Ausblick
Nach einer Vorstellung der in der Industrie etablierten Sensorik wurden zwei Schwachstellen aufgezeigt, die dazu führen, dass heute existierende Sensorik nur bedingt im produktionstechnischen Umfeld zum Einsatz kommt: Zum einen sind einfache Messsignale einer Messgröße ohne eine Kombination mit anderen Messgrößen nicht interpretierbar, zum anderen sind viele Problemstellungen über eine einfache Signalauswertung nicht zielführend bedienbar. Die Sensoren können zwar eine Messgröße erfassen, liefern zur Überwachung des Prozesses aber ohne eine erweiterte Signalverarbeitung keinen Mehrwert. Um diese Schwachstellen zu beheben, wurden zwei Stoßrichtungen für die Entwicklung identifiziert und an Beispielen aus Forschung und Entwicklung vorgestellt. Dies ist die Entwicklung von Multisensorsystemen und die Integration einer intelligenten Signalverarbeitung in die Sensoren. Neben den hier vorgestellten Ansätzen werden in Zukunft zwei weitere Stoßrichtungen bei der Entwicklung von Sensoren vorangetrieben, die den Einsatz und die Präsenz von Sensorik in der Produktionstechnik verändern werden. Hierzu zählen die Miniaturisierung und die Autarkie der Sensorsysteme. Die Miniaturisierung der Systeme wird einerseits durch innovative Bauformen und andererseits durch die Integration der Sensoren als Bestandteil eines größeren Gesamtsystems umgesetzt. Die Integration beschreibt den Aufbau einer Sensorik als Teil eines Gesamtsystems, ohne dass der Sensor ein eigenes Gehäuse besitzt. Technologien zur Umsetzung der Integration sind hierbei das Eingießen der Sensorelektronik in das Gehäuse eines Bauteils, das Sputtern und das Bedrucken. Die Autarkie von Sensoren wird durch die Schaffung einer energetischen Unabhängigkeit und neue Kommunikationstechniken angestrebt. Zur Erreichung einer energetischen Unabhängigkeit werden Technologien zum Energy Harvesting, also der Gewinnung der Energie aus der Umgebung, einer geeigneten Energiespeicherung und der Reduzierung des Energieverbrauchs durch Ultra-Low-Power-Komponenten angestrebt. Durch eine zusätzliche drahtlose Kommunikation von Sensoren über Funkmodule und optische Datenübertragungstechniken kann somit eine komplett kabellose Sensorlösung angestrebt werden.
Die Beitragsserie stammt aus dem Tagungsband zum Aachener Werkzeugmaschinen Kolloquium 2014
Im Folgenden wird ein Beispiel für eine Fernüberwachung auf Basis eines technischen Cloudsystems vorgestellt, welches bei dem weltweit operierenden Druckmaschinenhersteller Heidelberg zur Überwachung der Produktqualität aufgebaut wurde.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Druckmaschinen ist die präzise Fertigung von Druckwalzen. Das Schleifen der Zylinderoberfläche als abschließendes Fertigungsverfahren stellt eine große Herausforderung dar, weil neben den üblichen Anforderungen an Form- und Maßhaltigkeit auch optische Anforderungen an die Oberfläche über die Akzeptanz der Bauteile im folgenden Beschichtungs- und Montageschritt entscheiden. Die 100%-Prüfung der optischen Oberflächenbeschaffenheit erfolgt dabei in einem nachgelagerten Prozessschritt außerhalb der Maschinen unter Spezialbeleuchtung. Dies hat zur Folge, dass Veränderungen im Gesamtprozess Werkstück, Schleifscheibe, Werkzeugmaschine nur mit zeitlicher Verzögerung entdeckt werden können. Des Weiteren treten die Veränderungen des Prozesses vielfach schleichend auf, sodass zwar im Nachgang bei einer Rückwärtsverfolgung der Serie der Ausgangspunkt der Veränderung bzw. das Überschreiten eines Grenzwertes ermittelt werden kann, jedoch dann eine Nacharbeit von mehreren Druckwalzen erforderlich ist. Eine wesentliche Zielgröße bei der optischen Beurteilung der Zylinderoberfläche sind 'Rattermarken', mit dem bloßen Auge kaum wahrnehmbare Welligkeiten auf der Oberfläche. Die Ursache hierfür kann neben den unmittelbaren Zerspanungsparametern wie Schnittgeschwindigkeit, Vorschub und Schleifscheibendurchmesser auch in einer der Maschinenkomponenten liegen. Das Auftreten der Rattermarken und insbesondere deren Ursache sind ohne geeignete Überwachung nicht zeitlich vorhersehbar. Beim Auftreten muss aber sofort reagiert werden, um den Fehler einzugrenzen und die Nacharbeit zu minimieren bzw. die Erregerquelle auszuschalten und die Störung zu beheben.
National Instruments Germany GmbH
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN HMIS 2015 - 02.04.15.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de