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50 Jahre Arbeitssicherheitsgesetz

KI bald ein eigenständiger Akteur im Arbeitsschutz?

Das Arbeitssicherheitsgesetz (kurz ASiG) regelt die Pflichten des Arbeitgebers zur Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten, definiert Aufgaben und sorgt für die betriebliche Zusammenarbeit beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung. Wird nun künstliche Interlligenz bald Einzug in das ASiG halten?

Bild: Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbBBild: Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB
Dr. Sven Lohse ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Associated Partner bei der Kanzlei Noerr. Er ist spezialisiert auf die Beratung u.a. zur Arbeitsschutz-Compliance.

Zu Beginn dieser Kolumne muss ich mich outen, wohlwissend bereits an dieser Stelle rund die Hälfte der Leser zu verlieren. Als Kind konnte ich mich stets mehr für das Universum von Star Trek begeistern als für Star Wars. In der Pilotfolge der Serie Raumschiff Voyager verstirbt der Schiffsarzt und die medizinische Versorgung wird von dem medizinisch-holografischen Notfallprogramm übernommen, das The Doctor genannt wird. Diese KI wird über die Zeit ein vollwertiges (vermenschlichtes) Mitglied der Besatzung.

Das ASiG, das dieses Jahr 50 Jahre alt wird, kennt als Akteur die Fachkraft für Arbeitssicherheit und den Betriebsarzt. Die KI hat bislang keinen ausdrücklichen Einzug in das ASiG gehalten. Vielmehr geht es in der derzeitigen Diskussion zu Recht um die Frage, wie KI als Hilfsmittel im Arbeitsschutz eingesetzt werden kann. Zu nennen ist z.B. die Nutzung der KI zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen und Erarbeiten von konkreten Schutzmaßnahmen auf Basis der allgemeinen und unternehmensspezifischen Gegebenheiten.

Hierbei stellt sich wiederum die sehr irdische Frage, wer für Fehleinschätzungen der KI, aus denen Fehler oder sogar Schäden resultieren, haftet. Wird KI von der Fachkraft für Arbeitssicherheit eingesetzt, haftet im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Fachkraft für Arbeitssicherheit die Fachkraft für Arbeitssicherheit, insbesondere dann, wenn es sich um eine externe Fachkraft handelt. Im Außenverhältnis haftet grundsätzlich der Arbeitgeber, da der Fachkraft für Arbeitssicherheit nur eine beratende Funktion zukommt. Dasselbe gilt für den Betriebsarzt.

Allerdings kann der Arbeitgeber Aufgaben des Arbeitsschutzes auch auf zuverlässige und fachkundige Personen delegieren, die die Aufgaben des Arbeitsschutzes in eigener Verantwortung wahrnehmen (§ 13 Abs. 2 ArbSchG). In diesem Fall wandelt sich die Haftung des Arbeitgebers in eine Organisations- und Aufsichtspflicht, während die beauftragte Person selbst Adressat behördlicher Maßnahmen sein kann. Wird es neben den noch zu schaffenden technischen Voraussetzungen möglich sein, in Zukunft die Aufgaben des Arbeitsschutzes auf die KI zu delegieren, die diese dann eigenverantwortlich wahrnimmt? Nach derzeitiger Rechtslage wohl nicht, da es der KI als Software an einer Rechtspersönlichkeit fehlt, die Adressat von behördlichen Maßnahmen und Bußgeldern sein kann.

Dennoch ist davon auszugehen, dass Arbeitgeber mittelfristig zumindest faktisch verpflichtet sein werden, KI als festen Bestandteil des Arbeitsschutz-Compliance-Systems einzusetzen, da der Verzicht auf die Fähigkeiten von KI zumindest fahrlässig wäre. Und was sich heute noch nach Science-Fiction anhört, dürfte zum 100. Geburtstag des ASiG Wirklichkeit sein. Die KI sitzt zusammen mit den weiteren Akteuren im Arbeitsschutzausschuss und berät über Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung.

Um mit den Worten von Spock zu schließen: "Faszinierend".

Hochachtungsvoll

Dr. Sven Lohse

Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB

Dieser Artikel erschien in ROBOTIK UND PRODUKTION 1 (März) 2024 - 04.03.24.
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