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Profinet-Diagnose

Unter der Lupe

Robuste Netzwerke sind ein stabiles Fundament für eine erfolgreiche Digitalisierung der Produktion. Sie sorgen als Rückgrat der Maschinen und Anlagen für eine reibungslose Kommunikation - und müssen gleichzeitig mit zunehmenden Datenvolumina und einer steigenden Teilnehmerzahl zurechtkommen. Eine schnelle und zuverlässige Diagnose bei Störungen ist entsprechend wichtig.

Bild: ©geralt/pixabay.com

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser - das gilt in vielen Lebensbereichen, jedoch ganz besonders bei der Messtechnik für industrielle Bussysteme und Netzwerke.

Bild: I-V-G Göhringer
Die Ethernet-Messstelle BS-0130 arbeitet vollkommen passiv und daher ohne jede Beeinflussung des Netzwerks.

Wesentliche Anforderungen sind hier, dass die Messtechnik weder die Messergebnisse, die Funktion des Netzwerkes noch den Datenverkehr beeinflusst.

Bild: I-V-G Göhringer
Die Messstelle BS-0130 greift Sende- und Empfangssignal absolut rückwirkungsfrei ab.

Komplexität nimmt zu

Im Vergleich zu seriellen Feldbussen liegt der Vorteil von Ethernet-basierten Systemen klar auf der Hand: Einfacheres Engineering, höhere Datenraten, skalierbare Echtzeitfähigkeit sowie mehr Möglichkeiten und Flexibilität bei der Netzwerkarchitektur. Aufgrund der Verwendung der bewährten Ethernet-Technologie sind IP-basierte industrielle Netzwerke prinzipbedingt sehr robust gegenüber Störeinflüssen. Dennoch kann es auch hier zu unerwarteten Ausfällen kommen. Im Ernstfall muss eine schnelle Möglichkeit zur Fehlersuche vorhanden sein. Im Gegensatz zum klassischen Feldbus gibt es bei den Punkt-zu-Punkt verkabelten Ethernet-Netzwerken keine Möglichkeiten, an einer beliebigen Stelle des Netzwerkes einfach ein Diagnosegerät aufzuschalten. Die Ethernet-Leitung kann nicht einfach aufgetrennt werden, um ein Messgerät einzuschleifen. Es würde sofort zum Abbruch der Kommunikation und damit zum Anlagenstillstand kommen. Zudem sind nicht alle Telegramme an jeder beliebigen Stelle im Netzwerk messbar. Switches senden die Datenpakete nur dezidiert an den tatsächlichen Empfänger, das erschwert eine effektive Fehlersuche.

Test-Access-Points als Messstellen

Um dennoch messen zu können, werden sogenannte Test-Access-Points (TAP) als Messstelle fest in das Netzwerk integriert. An den Stellen, die für eine Netzwerkanalyse wichtig erscheinen, werden die TAPs eingesetzt - und sollen dafür sorgen, dass man einfach und ohne Unterbrechung der Kommunikation im laufenden Betrieb den Datenverkehr aufzeichnen und analysieren kann. Sie werden meistens, wie in den PNO-Richtlinien vorgeschrieben, unmittelbar am Controller installiert. Der Ethernet-Verkehr wird auf die Ports der Messstelle gespiegelt, um den Netzwerkverkehr nicht zu beeinflussen. Der passive TAP soll das Netzwerk vor Störungen durch angeschlossene Diagnosegeräte oder PCs schützen. Innerhalb eines Profinet-Kabels dürfen bis zu zwei Steckstellen vorhanden sein. Neuere Kabelzertifizierer erkennen die Steckstellen per TDR-Messung, da an den Steckkontakten minimale Reflexionen auftreten. "Ein Kabelzertifizierer darf die Messstelle nur als Steckstelle erkennen, ansonsten muss sie sich sowohl im bestromten als auch im unbestromten Zustand vollkommen passiv verhalten." erläutert Hans-Ludwig Göhringer. Sein Unternehmen I-V-G Göhringer hat sich über viele Jahre ein umfassendes Know-how im Bereich der Fehlersuche und Instandhaltung von industriellen Netzwerk- und Feldbusinstallationen erarbeitet. Göhringer wird häufig als Troubleshooter zu Anlagen gerufen, die aufgrund von Bus- oder Netzwerkproblemen ausgefallen sind. Zudem bietet das Unternehmen verschiedene Schulungen zur Instandhaltung von Bussystemen und industriellen Netzwerken an.

Bild: I-V-G Göhringer
Im Feld eingebaute Messstellen zeigen bis zu zwei Kurzschlüsse.

Telegrammverlust

Zum Verständnis kurz ein Rückblick in das Jahr 2005. Zu diesem Zeitpunkt hat I-V-G Göhringer mit der Profinet-Diagnose begonnen und schon damals mit den unterschiedlichen Werkzeugen festgestellt, dass immer wieder Telegramme fehlten, welche definitiv vorhanden sein mussten. "Wir haben die gekauften Geräte zurückgeschickt und reklamiert, haben unseren eigenen Rechner untersucht, haben andere Geräte gekauft und sind letztlich zu keiner funktionierenden Lösung gekommen", blickt Göhringer zurück. Die Situation hat sich allmählich gebessert und mit der Zeit wurden die Werkzeuge immer besser - heute sind eine Reihe brauchbarer Analyse-Tools mit unterschiedlichen Leistungsmerkmalen auf dem Markt. Ganz behoben sind die Schwachstellen jedoch noch nicht, wie sich Anfang 2016 zeigte. Im Rahmen eines Kundenauftrages untersuchte Göhringer eine Profinet-Anlage mit einem damals neu gekauften Profinet-Analyser. "Im Zuge der verschiedenen Messungen haben wir immer wieder erstaunt auf unsere Ergebnisse geblickt", berichtet Göhringer aus seinem Troubleshooting-Einsatz und fährt fort: "Nach einer gewissen Zeit war uns klar, dass wir uns die passiven Eigenschaften der Messstellen genauer anschauen müssen." Aus zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannten Gründen gingen während der Messung Telegramme verloren. Der Fehler war reproduzierbar. Alle Geräte des Kunden zeigten das gleiche Ergebnis. Daraufhin wurden die Messstellen und Geräte verschiedener Anbieter mittels eines Kabelzertifizierers getestet. Dazu wurden jeweils vor und nach dem TAP zwei Meter Profinet-Kabel angeschlossen und dann anhand der Kabelspezifikation des Profinet-Kabels durchgemessen. Die Überlegung war dabei, dass die Geräte mit und ohne Spannung vollkommen rückwirkungsfrei arbeiten müssen. "Was wir da gefunden haben, hat uns sehr verwundert. Da wurden Geräte zur Diagnose eingebaut, die selber Fehler im Datenverkehr verursachen", fasst Göhringer die Ergebnisse zusammen. Viele Messstellen für Diagnose-Tools, die sensibelsten Stellen im gesamten Netzwerk überhaupt, haben die Eigenschaft 'passiv' gar nicht erfüllt.

Bild: I-V-G Göhringer
Bei den Automation-Workshops 2017 bietet I-V-G Göhringer Praxis-Workshops zu verschiedenen Netzwerk- und Feldbusthemen an.

Messstellen nicht rückwirkungsfrei

Die Auffälligkeiten diverser Geräte wurden von I-V-G näher untersucht. An verschiedenen Probanden wurde mit dem Kabelzertifizierer ein Kurzschluss zwischen den Datenleitungen festgestellt. Der Kurzschluss alleine ist schon problematisch, aber es gab auch ein Gerät, bei dem vier unterschiedliche Resonanzfrequenzen ermittelt wurden. Jeweils zwei auf der Empfangsleitung des kommenden Ports und zwei auf der Empfangsleitung des abgehenden Ports. Diese können sich unter dem Einfluss der Luftfeuchtigkeit im Feld noch leicht verändern. Wird nun ein Kabel mit einer zufällig ungünstigen Länge eingesetzt, kann es zu einer Schwingung kommen, welche die Kommunikation stört und zum Ausfall führt. Wird das Kabel verlängert oder verkürzt, kann der Fehler weg sein oder stärker in Erscheinung treten. In manchen Fällen kann sogar ein anderes Kabel, das die Norm gar nicht erfüllt, zu einem funktionierenden Netzwerk führen. Jeder Anwender, der schon einmal Messergebnisse hatte, für die es keine Erklärung gab, sollte jetzt hellhörig werden.

90 Prozent der Ethernet TAPs fehlerhaft

Von Anfang 2016 bis Anfang 2017 hat sich der Kreis der auffälligen Geräte erweitert - über 90 Prozent der im Feld angetroffenen TAPs von zehn verschiedenen Herstellern zeigten Kurzschlüsse. Nun standen die Netzwerk- und Feldbusexperten vor der Frage, wie sie mit dem Thema umgehen. "Wir wollten die Anwender schnellstmöglich informieren, damit sie bei Messproblemen wissen, woran sie sind und auf was sie achten müssen," sagt Göhringer. "Auf keinen Fall wollten wir mit dem Finger auf andere zeigen, das entspricht nicht unseren Grundsätzen. Daher haben wir die uns bekannten Hersteller direkt über die Ergebnisse informiert." Gleichzeitig hat I-V-G Göhringer selbst einen TAP entwickelt und Anfang 2017 die neue Messstelle BS-0130 präsentiert. Sie ist frei von Kurzschlüssen und ermöglicht den unterbrechungsfreien Anschluss eines Diagnosegerätes im laufenden Betrieb. Das Netzwerk wird durch Spiegelung des Ethernet-Verkehrs nicht beeinflusst, auch wenn an dem Gerät keine Spannungsversorgung anliegt. Gegenüber Switches mit aktiviertem Mirror-Port stellt die Messstelle BS-0130 sicher, dass die zeitliche Abfolge des Netzwerkverkehrs erhalten bleibt und bei hoher Netzwerklast oder Telegrammfehlern keine Telegramme verworfen werden. Das Verhalten der Messstelle ist sowohl im bestromten als auch im unbestromten Zustand vollkommen passiv. Von der Firma Hilscher wird ebenfalls ein rückwirkungsfreier TAP angeboten. Auf der Hannover Messe 2017 hat die Firma Siemens einen neuen TAP vorgestellt, der die geforderten Eigenschaften aufweist. Die schnelle Reaktion zeigt, dass das Thema mit den Kurzschlüsse von den Herstellern ernst genommen wird.

Anwender-Workshops zur All About Automation

Parallel zur Fachmesse All About Automation 2017 in Leipzig bietet I-V-G Göhringer verschiedene Anwender-Workshops rund um die Instandhaltung von industriellen Bussystemen und Netzwerken an:

  • • Strukturierte Profinet-Abnahme mit Ihren Tools: In der Praxis stellen sich den Konstrukteuren, Inbetriebnehmern und Instandhaltern verschiedene Fragen: Kann ich die Abnahme eines Profinet-Netzwerkes ähnlich gestalten wie die Busabnahme beim Profibus? Oder reicht ein Kabelzertifizierer? In diesem dreieinhalbstündigen Workshop erfahren die Anwender, auf was sie achten müssen, wenn sie sich mit der Netzwerkanalyse befassen. Die Teilnehmer bringen ihre eigenen Geräte mit Spannungsversorgung zum Workshop mit. Dadurch lernen sie einerseits, auf was es speziell beim eigenen Werkzeug ankommt, und bekommen andererseits einen Überblick über die Leistungsmerkmale der am Markt erhältlichen Diagnose-Tools.
  • • Automatisierte Fehlersuche an Feldbussystemen: In dem zweieinhalbstündigen Anwender-Workshop wird Praxiswissen aus erster Hand vermittelt. Einen Schwerpunkt bildet die permanente Busüberwachung mit automatisierter Erkennung der Störungsursache. Damit werden Fragen beantwortet, wie die Anwender ungeplante Stillstände besser vermeiden können - und welche Maßnahmen möglich und notwendig sind, damit die Instandhaltung mehr Zeit für vorbeugende Wartung hat, anstatt von einem Feuerwehreinsatz zum nächsten zu eilen. Und das nicht nur vor Ort, sondern auch per Fernwartung für weltweit installierte Maschinen und Anlagen.
  • • EMV- und ESD-gerechter Netz- und Feldbusaufbau: Bei der Auslegung eines Feldbussystems für eine hohe Verfügbarkeit ist ein durchdachtes EMV-Konzept von essenzieller Bedeutung. Im diesem eintägigen Workshop erläutert Hans-Ludwig Göhringer die verschiedenen Arten von elektromagnetischen Einflüssen, wie sich diese auswirken und welche konstruktiven Maßnahmen dagegen schützen. Mit einem Schulungskoffer werden die Suche nach EMV-Störern und verschiedene Fixing-Maßnahmen praktisch vorgeführt. Dabei kommt auch der Quicktester ESD-QT 16 zum Einsatz. Er signalisiert Entladungen per Alarmleuchte oder Hupe. Aktuelle Anpassungen und Erweiterungen in der Normenwelt werden ebenfalls behandelt.

I-V-G Göhringer

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 8 2017 - 11.08.17.
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