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Digitale Lerninhalte

Lernen 4.0 im Mittelstand

Für einen größeren Anteil an unternehmensinternen Bildungsangeboten wollen Forscher der TU Berlin die Erstellung von Weiterbildungsinhalten digital unterstützen. Das entwickelte Assistenzsystem soll dabei helfen, passende Inhalte auf Basis virtueller Lernumgebungen und digitaler Lernmedien für vielfältige Qualifizierungsbedarfe zu schaffen.

Bild: Technische Universität Berlin Fakultät V - Verkehrs- und Maschinensysteme

Die gezielte Motivation und Qualifikation der Mitarbeiter ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für Unternehmen. Zudem fordert das Schritthalten in Zeiten der Digitalisierung einen ständigen Kompetenzaufbau, insbesondere in produzierenden Unternehmen. Sie begeben sich dafür oft auf einen für sie undurchsichtigen Markt externe Weiterbildungsangebote. Diese sind für die Unternehmen kostenintensiv und erfüllen oft nur zu einem Bruchteil die eigentlich gestellten Erwartungen.

Geeignete Werkzeuge definieren

Im Jahr 2015 haben kleine und mittlere Unternehmen (KMU) des produzierenden Gewerbes laut Statistischem Bundesamt etwa 1.517? für Beschäftigte ausgegeben, die an Weiterbildungen teilgenommen haben. Dabei wurden nur etwa ein Drittel der 5Mio. Beschäftigten im produzierenden Gewerbe überhaupt durch Weiterbildungen gefördert. Hier können eigens erstellte und individuell angepasste digitale Lerninhalte Kosten sparen und die Teilnahmequote erhöhen. Das Erstellen von Virtual-Reality-Inhalten (VR) lässt sich heute unkompliziert durchführen, da kein Programmieraufwand und nur überschaubarer Technikeinsatz notwendig ist. Lernobjekte wie reale Produktionsmaschinen lassen sich inklusive ihrer Prozessabläufe in die virtuelle Umgebung transferieren, so dass Mitarbeiter kostengünstig zu Technik und Prozessen geschult werden können. Jedoch fehlt es den KMU an geeigneten Werkzeugen und einer systematisch angeleiteten Vorgehensweise, so dass Hemmungen bei der VR-Nutzung bestehen. Einige Softwareanbieter bieten Lernplattformen an, die das Organisieren und Bereitstellen von Trainings unterstützen. Beim Erstellen von Schulungen und Lernarrangements, die dem Bedarf entsprechen und zudem individuell auf Lernprofile abgestimmt sind, bleibt der Anwender jedoch oft sich selbst überlassen. Bereits der Arbeitskreis Industrie 4.0 verwies als Forschungsempfehlung auf die Entwicklung einer Infrastruktur, die "sowohl Wissen bereitstellt und aufbereitet als auch als Instrument für die Qualifizierung von Mitarbeitern und Tätigkeitswechsel genutzt werden kann." Das Fachgebiet Qualitätswissenschaft der TU Berlin will mit dem Projekt 'Virtuelle Weiterbildungsinhalte im Anwendungsfeld Qualität 4.0' (ViWeQ4.0) dazu beitragen, dass im KMU-Bereich Anwender ohne stark ausgeprägte technische und didaktische Fähigkeiten digitale Weiterbildungsangebote erstellen können. Ergänzende Idee des Projekts ist es, eine Plattform zu entwickeln, über welche der Austausch dieser digitalen Weiterbildungsangebote gefördert werden kann, gemäß dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe". Die Funktionsweise ist für den Produktiveinsatz nach Projektende so angedacht, dass registrierte KMU auf der Plattform erstellte Videos oder andere Dateien bereitgestellt bekommen, sobald sie selbst Lerninhalte auf dieser Plattform teilen. Der Assistent zum Anleiten der Erstellung von Inhalten steht dabei im Vordergrund und wird ebenfalls Bestandteil der Plattform. KMU sollen befähigt werden, eigene virtuelle Inhalte (z.B. Videos, interaktive Trainings, VR-Inhalte) zu erzeugen, zu teilen und gleichzeitig den Zugriff auf fremd erstellte Inhalte zu erhalten. Das folgt dem Grundgedanken einer selbstregelnden Geben-und-Nehmen-Plattform, die einen wesentlichen Beitrag zur Mitarbeiterqualifizierung in KMU liefern soll.

Bild: Technische Universität Berlin Fakultät V - Verkehrs- und Maschinensysteme

Erstellen von digitalen Inhalten

So vielfältig wie die Unternehmen selbst, sind auch ihre Problemstellungen bzw. das aufzubauende Know-how, weshalb maßgeschneiderte Lerninhalte gebraucht werden. Beim Assistenten ViWeQ4.0 werden deshalb eingangs alle wichtigen Informationen zum Problemkontext anhand von strukturierten Fragen erfasst. Auf Basis dieser Informationen soll ein Algorithmus die inhaltliche und didaktisch passende Aufbereitung des Lernszenarios anleiten. Es werden z.B. Informationen zum Lernziel, zur Zielgruppe sowie zur beabsichtigten Lerndauer abgefragt. Im Laufe der anschließenden Erstellung des Lerninhalts werden dann didaktische als auch weitere für ein gelingendes Lernarrangement notwendigen Empfehlungen gegeben. Bei einem praktischen Beispiel könnte das Lernziel lauten: Einordnung von Gut- und Schlechtteilen durch den Werker in einer Schraubenproduktion. Dieser Problemkontext lässt auf ein Lernziel schließen, welches sich für vor dem Hintergrund der Zielgruppe durch ein Quiz erreichen lässt. Die Schritte zur Erstellung des Quiz werden nun von der Formulierung einer Frage über die Erstellung der Antwortmöglichkeiten bis zur Verknüpfung mit dem virtuellen Abbild einer Produktionsmaschine assistiert und mit Empfehlungen begleitet. Am Ende soll eine hohe Qualität des geschaffenen Lerninhalts sichergestellt werden um einen nachhaltigen Nutzen zu gewährleisten. Darauf abgestimmte Fragen zur Erfassung von Nutzer-Feedback sollen eine kontinuierliche Verbesserung anstoßen und zielgerichtete Optimierungsmaßnahmen zulassen. Zudem müssen die auf der Plattform angebotenen Lerninhalte voneinander unterscheidbar sein. Hat der Ersteller entsprechende Regeln für die Sichtbarkeit seines geschaffenen Inhalts bestimmt, erleichtern aussagekräftige Merkmale wie Lernmethode, -ziel oder -medium die Auswahl für andere Interessenten.

Praxiseinsatz der Plattform

Die Erprobung des Assistenten soll während der Entwicklung bei ausgewählten KMU durchgeführt werden. In der Lernfabrik eines Pharmakonzerns wurde der Bedarf bereits erkannt und der zu erwartende Nutzen dem Aufwand gegenübergestellt. Digitale Schulungen können aufgrund der individuellen und flexiblen Nutzbarkeit die Effizienz steigern. Der Mehrwert lässt sich anhand eines Gedankenbeispiels beziffern. Durch die Weiterbildung eines Beschäftigten im eigenen Unternehmen in Form von digitalen Weiterbildungsangeboten, können die direkten Kosten erheblich gesenkt werden. So würden u.a. die Gebühren für externe Weiterbildungsangebote eingespart werden und lediglich Kosten für z.B. Räume und technische Ausstattung anfallen. Des Weiteren entfallen für den Teilnehmenden die Reisekosten und die Fahrzeit. Es wird geschätzt, dass durch den Ersatz einer klassischen Weiterbildung durch eine digitale Weiterbildung etwa zwei Drittel der bisherigen Gesamtkosten eingespart werden können.

Fazit

Im Zuge einer voranschreitenden Digitalisierung gewinnt die Qualifikation von Mitarbeitern für neue Aufgabengebiete an Bedeutung. Einsparpotenziale aus der Nutzung digitaler Weiterbildungsangebote könnten gezielt in eine zusätzliche Qualifikation aller Mitarbeiter im Unternehmen investiert werden. So ließe sich zukünftig sogar die Teilnahmequote und somit neben der Qualifikation auch die Motivation von Mitarbeitern steigern.

Technische Universität Berlin

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 5 2018 - 15.05.18.
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