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Befehls- und Meldegeräte über Profinet anbinden

Umstieg auf Flexibilität

In der industriellen Produktion findet sich keine Maschine oder Anlage ohne Befehls- und Meldegeräte. In der Regel sind diese über Parallelverdrahtung auf Eingangskontakte der SPS geführt. Anders beim Retrofit-Projekt an einer Werkzeugmaschine für Turbinenläufer im Siemens-Gasturbinenwerk in Berlin. Dort wurden Schalter, Taster und Co. direkt über Profinet an die Steuerung angeschlossen. Die Vorteile: Die Inbetriebnahme erfolgt unkompliziert und schnell - bei einem gleichzeitig außergewöhnlichen Maß an Flexibilität.

Bild: Siemens AGBild: Siemens AG
Im Gasturbinenwerk von Siemens in Berlin wurde eine Turbinenläufer-Bearbeitungsmaschine modernisiert, unter anderem mit den neuen Befehls- und Meldegeräten der Sirius-ACT-Serie und Profinet-Interface-Modul.

"Ich bin ein Freund moderner Technik und ein großer Verfechter von Kommunikation und Vernetzung", betont Detlef Müller, Konstruktionsleiter Automatisierung und Elektrotechnik sowie Prokurist bei Belfor DeHaDe in Hamm. Das Unternehmen hat sich auf die Maschinengrundüberholung und -sanierung spezialisiert und gehört zur nach eigenen Angaben weltgrößten Unternehmensgruppe für Schadenssanierung mit über 7.000 Mitarbeitern und mehr als 300 Niederlassungen in 28 Ländern. Aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung in der Automatisierung weiß Müller um den hohen Stellenwert der Vernetzung: "Gerade bei Retrofit-Projekten liefert eine busbasierte Kommunikation ein hohes Maß an Flexibilität, was unsere Kunden häufig brauchen und schätzen.

Bild: Siemens AGBild: Siemens AG
Bis zu 20 Schalter und Taster lassen sich an ein Interface-Modul von Sirius ACT anbinden und so auf direktem Weg Profinet-fähig machen.

" So auch das Gasturbinenwerk Berlin von Siemens. Dort werden riesige Gasturbinen für Leistungen von bis zu 567MW gebaut. Über 1.000 Stück haben das Werk seit 1972 verlassen, knapp die Hälfte davon in den Jahren zwischen 2006 und 2016. "Nun ist es an der Zeit, manche Maschinen nach diesem Produktionsmarathon technisch wieder auf den neuesten Stand zu bringen", erklärt Torsten Sücker, Instandhaltungstechniker im Gasturbinenwerk. So auch eine Werkzeugmaschine von Ravensburg aus dem Jahr 1997 zum Drehen, Schleifen und Messen der bis zu 80t schweren Turbinenläufer.

Bild: Siemens AGBild: Siemens AG
Detlef Müller, Konstruktionsleiter Automatisierung und Elektrotechnik sowie Prokurist bei Belfor DeHaDe sieht viele Vorteile in der Netzintegration der Befehls- und Meldegeräte.

Schnelle Verdrahtung und Inbetriebnahme spart Zeit

Aufgabenstellung war die komplette Modernisierung der Antriebs- und Steuerungstechnik. In diesem Zuge kamen an den beiden Bedienstellen erstmals die modernen Befehls- und Meldegeräte Sirius ACT (Sirius 3SU1) von Siemens zum Einsatz. "Die Geräte sind robust, qualitativ hochwertig und neben einem modernen Design bieten sie hohe Flexibilität, wie wir sie in vielen Projekten benötigen", berichtet Müller über bisher gemachte Erfahrungen. Im Gegensatz zur konventionellen Verdrahtung von Befehls- und Meldegeräten werden die einzelnen Taster und Schalter über eine Flachleitung miteinander verbunden. Sie lässt sich als Meterware so ablängen, dass problemlos ein individueller Abstand zwischen zwei Punkten überbrückt wird. Durch das Drücken der Flachleitung in die Aufnahme an der Rückseite der Geräte erfolgt die Kontaktierung. "Das ist übersichtlich und lässt sich schnell realisieren, so dass man je nach Ausführung pro Taster einige Minuten an Installationszeit sparen kann", erklärt Müller. Den größten Vorteil sieht er allerdings in der schnellen und einfachen Integration der Befehls- und Meldegeräte in die Steuerungstopologie. Denn in Verbindung mit dem dazugehörigen Interface-Modul IM erfolgt die direkte Anbindung über Profinet-Kommunikationstechnik. Die Module gibt es sowohl für Standardsignale als auch für sicherheitsgerichtete Signale, zum Beispiel für einen Nothalt-Taster. Durch diesen Systemaufbau können in manchen Fällen sogar zusätzliche Eingangskarten bei der Steuerung oder eine komplette dezentrale Peripherie eingespart werden.

20 Befehls- und Meldegeräte pro Modul

Bis zu 20 Befehls-und Meldegeräte lassen sich an ein Interface-Modul anschließen. Für Müller "ein Mengengerüst, mit dem sich die meisten Anwendungen wunderbar abdecken lassen." Sind mehr erforderlich, wird einfach eine weitere IM-Kopfbaugruppe vorgesehen, die per Profinet und Switch-Technik schnell an die Steuerung angebunden werden kann. So auch bei einer der beiden Bedienstellen in der modernisierten Ravensburg-Werkzeugmaschine für Turbinenläufer. Wichtig war das, weil dort einige Reserveplätze für spätere Bedienoptionen vorgesehen wurden. Sücker bestätigt: "Diese Möglichkeit erhöht die Flexibilität, im laufenden Betrieb und ohne zusätzliche Umbauten praktische Anpassungen rund um die Maschinenbedienung durchführen zu können." Es müssen lediglich die Bedienoptionen programmtechnisch dem jeweiligen Profinet-Busteilnehmer zugeordnet werden. Auch der Umgang mit den neuen Befehls- und Meldegeräten Sirius ACT erweist sich als einfach: "Die Halter zur Befestigung sitzen sehr fest und können bei der Montage nicht herausfallen", so Müller. "Außerdem kann sich die Vorderseite nicht verdrehen, was gerade bei beschrifteten Knöpfen ein großes Plus ist." In der Regel werden bei Belfor DeHaDe die Geräte mit mattiertem Metallgehäuse verwendet, weil sie sehr robust sind und die ästhetischen Ansprüche vieler Anwender erfüllen. Darüber hinaus gibt es die matte Optik auch mit flachem Ring, blankpolierte Ausführungen sowie Versionen mit Kunststoffgehäuse. "Wie ihre Vorgänger Sirius 3SB1 und 3SB3, die wir lange Zeit eingesetzt haben, sind auch die neuen Sirius-ACT-Komponenten ausgereift konstruiert", ergänzt Müller. Ab Oktober 2019 werden die Vorgängerreihen laut Hersteller nicht mehr verfügbar sein. Damit der Wechsel für Anwender erleichtert wird, liefert Siemens eine entsprechende Umschlüsselungshilfe.

Bild: Siemens AGBild: Siemens AG
Die einfache Verbindungstechnik über eine Flachleitung von der Rolle reduziert den Verdrahtungsaufwand und sorgt gleichzeitig für eine unkomplizierte Funktionsdiagnose.

Durchgängige Profinet-Vernetzung vereinfacht Automatisierung

Für Detlef Müller ist der Wechsel auf die neue Reihe eine logische Konsequenz: "Im Vergleich zum herkömmlichen Aufbau von Befehls- und Meldegeräten spart man mit Sirius Act auf alle Fälle." Beim Retrofit-Projekt zur Bearbeitung der riesigen Turbinenläufer hat sich das bewahrheitet. Auf der Maschine werden Lagerstellen gedreht sowie Schaufelspitzen gemessen und geschliffen. Aufwändige Messtechnik sorgt dabei für die geforderte hohe Präzision. Allein die Schwingungen an den Schaufelspitzen liegen im Betrieb bei annähernder Schallgeschwindigkeit, während die Fliehkräfte bis zum 10.000-fachen des Eigengewichts der Turbinenschaufeln erreichen können. "Wie präzise die Fertigung der Turbinenläufer durchgeführt werden muss, kann sich anhand dieser Betriebsbedingungen jeder vorstellen", betont der Konstruktionsleiter. Vor diesem Hintergrund ist die gesamte Werkzeugmaschine jetzt mit Profinet-Buskommunikation verkabelt. Die Steuerung der Maschine übernimmt eine Sinumerik 840D von Siemens mit zusätzlichem SPS-Kern auf Basis einer Simatic S7-319 plus einer zusätzliche SPS vom Typ Simatic S7-400 zur schnellen Verarbeitung der vielen Tausend Messwerte. Dazu Müller: "Es erweist sich als praktisch, wenn in einer homogenen Steuerungstopologie auch die Befehls- und Meldegeräte problemlos ohne Medienbruch und zusätzliche Hardware integriert werden können."

Bild: Siemens AGBild: Siemens AG

Diagnose verbessert Inbetriebnahme und Verfügbarkeit

Torsten Sücker ergänzt: "Für uns sind auch die mit den Sirius-ACT-Geräten verbundenen Diagnosemöglichkeiten interessant." Denn obwohl sie robust und zuverlässig sind, würde die Software sofort eine eventuelle Störung erkennen und über entsprechende Funktionsbausteine umgehend am Siemens Touch Panel der jeweiligen Bedienstation anzeigen. "Hierfür ist kaum programmiertechnischer Aufwand notwendig", ergänzt Müller. Aber vor allem in der Montage zeigen die Komponenten ihre diagnosetechnischen Stärken: Werden die Befehls- und Meldegeräte per Flachleitung miteinander verbunden, signalisiert am Ende jeder Teilnehmer bei Anlegen der Versorgungsspannung an das Kopfmodul seine ordnungsgemäße Kontaktierung und Funktionsfähigkeit über eine grün leuchtende LED auf der Rückseite. Leuchtet die LED nicht oder leuchtet sie rot, weiß die Betriebstechnik bereits bei der Montage, wo Handlungsbedarf besteht. "So wird selbst ohne den Anschluss von Steuerung oder Programmiergerät die ordnungsgemäße Funktion der gesamten Befehls- und Meldekette schon in der Werkstatt bestätigt", bringt es Müller auf den Punkt. "Bei herkömmlicher Verdrahtung kann es dagegen hier und da schon zu unvorhergesehener Mehrarbeit in der Inbetriebnahme kommen, was Verzögerungen verursacht und Geld kostet."

Vorteile durch direkte Vernetzung

Wie wichtig umfassende Diagnosemöglichkeiten sind, zeigt sich auch oder gerade dann, wenn viele Taster in einer Maschine oder Anlage vorhanden sind. So war es bei der Werkzeugmaschine des Gasturbinenwerks, wo insgesamt etwa drei Dutzend Befehls- und Meldegeräte in den Bedienstationen einen übersichtlichen Maschinenbetrieb ermöglichen. Grundsätzlich geht Müller aber davon aus, dass sich der Einsatz des Profinet-Interface-Moduls für Sirius ACT bereits ab drei bis vier Tastern sinnvoll darstellt. Er resümiert: "Für Sondermaschinenbauer und Retrofit-Spezialisten wie Belfor DeHaDe ist eine solche direkte Vernetzung von Befehls- und Meldegeräten ein echter Gewinn. Aber auch Serienmaschinenhersteller profitieren von den Vorteilen hinsichtlich Flexibilität, Funktionssicherheit, Montage, Design und Diagnose und können mit dem durchgängigen Einsatz von Profinet die Verfügbarkeit ihrer Maschinen und Anlagen erhöhen."

Siemens AG

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 8 2018 - 20.08.18.
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