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Funktionale Sicherheit für KMUs - Teil 1/2

Licht im Normendschungel

Bild: MESCOBild: MESCO
Sicherheitslebenszyklus der IEC61508

Grundlagen

Funktionale Sicherheit ist nur ein Teil der Gesamtsicherheit eines Systems. Themenbereiche, wie die elektrische Sicherheit, sind separat zu betrachten. Generell spricht man von Funktionaler Sicherheit, wenn die Sicherheit des Systems - zumindest zum Teil - von der korrekten Funktion einer Sicherheitsfunktion abhängt. Funktionale Sicherheit muss daher immer von der realen Applikation bzw. realen Gefährdung aus betrachtet werden. Die Gefährdung wird eingeteilt in vier Stufen: SIL 1 (gering) bis SIL4 (hoch). In der industriellen Automation werden nur SIL 1 bis SIL 3 betrachtet. Die Ermittlung erfolgt in einem zweistufigen Risikobewertungsprozess. Prinzipiell läuft es aus Sicht der Funktionalen Sicherheit stets darauf hinaus gefährliche Fehler zu vermeiden bzw.zu beherrschen. Diese sind immer in Hinblick auf den Verlust der Sicherheitsfunktion zu betrachten. Unter einem gefährlichen Fehler wird alles verstanden, was dazu führt, dass die definierte Sicherheitsfunktion bei Anforderung nicht verfügbar ist. Ein einfaches Beispiel ist eine Schutztürüberwachung: Die Sicherheitsfunktion soll beim Öffnen der Schutztür dafür sorgen, dass beim Betreten des Schutzbereichs keine Gefährdung für Menschen entsteht. Im einfachsten Fall bedeutet das ein gezieltes Abschalten der Maschine. In diesem Fall ist somit alles ´gefährlich´, was dazu führt, dass das Abschalten nicht erfolgt bzw. nicht erfolgen kann. Dies kann z.B. bereits durch einen Fehler bei der Montage im System verankert sein oder durch einen zufälligen Hardware-Ausfall der Logiksteuerung hervorgerufen werden. Analysiert man reale Fehlerursachen, lassen diese sich in zwei Hauptklassen einteilen: Systematische Fehler und zufällige Fehler. Zufällige Fehler treten nur in elektrischen/elektronischen Bauteilen auf und lassen sich grundsätzlich nicht vermeiden. Teil 2 der IEC 61508 begegnet dem damit, dass für definierte technische Elemente definierte (Bauelemente-)Fehler erkannt werden müssen, wie etwa Kurzschluss oder Unterbrechung eines elektrischen Widerstands, sofern diese zu einem gefährlichen Fehler führen würden. Erkannt wird der Fehler durch zusätzliche technische Diagnosemaßnahmen im Produkt selbst oder auf einer höheren Systemebene, z.B. Testpulse einer SPS. Die Erkennung löst dann eine Fehlerreaktionsfunktion aus, wodurch der erkannte gefährliche Fehler aus Sicht der Funktionalen Sicherheit nicht mehr relevant ist. In der Industrieautomation ist die übliche Fehlerreaktion das Ausschalten der Maschine. Durch die Diagnosemaßnahmen erhöht sich der Anteil der sicheren Fehler (SFF: Safe Failure Fraction), die aus Sicht der Funktionalen Sicherheit als gut anzusehen sind. Die Grundnorm IEC 61508 macht klare Vorgaben zwischen dem SFF, der sogenannten Hardware-Fehlertoleranz (HFT), und dem maximal erreichbaren SIL. Ein einkanaliges System hat eine HFT von 0, da ein einzelner Ausfall zum Verlust der Sicherheitsfunktion führen würde. Ein zweikanaliges System besitzt folglich eine HFT von 1. Mindestens zwei Fehler sind hier zum Ausfall der Sicherheitsfunktion erforderlich. Mit steigendem SIL steigen die Anforderungen an die HFT bzw. SFF. So lässt sich ein SIL 2 Gerät unter Verwendung von komplexen elektronischen Bauteilen in einen einkanaligen System mit einer SFF von mindestens 90% und in einem zweikanaligen System mit einer SFF von mindestens 60% erreichen. Der Systemarchitekt kann also mit den Parametern Redundanz und Diagnose arbeiten. Systematische Fehler können über den gesamten Produktlebenszyklus auftreten. Von einer fehlerhaften Spezifikation, über Design Fehler in der (Produkt-)Entwicklung, Installationsfehlern, bis hin zu Bedienungsfehlern im Betrieb. Folgerichtig fordert die IEC 61508, neben dem übergeordneten Functional Safety Management, im Teil 1 konkrete qualitätssichernde Maßnahmen für individuelle Phasen des gesamten Produktlebenszyklus in den Teilen 2 und 3.

MESCO

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN SPSS 2018 - 19.11.18.
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