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René Wolf, Siemens Digital Industries Software:

"Integrierte Gesamtlösung mit End-to-End-Prozessen"

Das neue Siemens Opcenter der Softwaresparte des Münchener Technologieunternehmens bringt zahlreiche Anwendungen wie Camstar, Simatik IT und Preactor in einer einheitlichem Umgebung und Benutzerführung zusammen. René Wolf von Siemens Digital Industries Software schildert, was die Kunden davon haben - und was sich funktional getan hat.

Bild: Siemens AGBild: Siemens AG

Siemens hat eine Reihe seiner produktionsnahen Lösungen in ein einheitliches Manufacturing Operations Management (MOM) Portfolio überführt. Welche Ziele verfolgt Siemens damit?

René Wolf: In der Fertigung kommen heute in der Regel sehr viele verschiedene Systeme zum Einsatz, von der zentralen Steuerungs- bis zur Automatisierungsebene auf dem Shop Floor. Mit unserem Ansatz wollen wir all diese Bereiche in einem Gesamtsystem integrieren, aber auch das Bedienkonzept harmonisieren. Zugleich bieten wir Unternehmen damit Standardsoftwarekomponenten an, die nur noch geringfügig an die eigenen Belange angepasst werden müssen und deutlich wartungsärmer sind. Das ist ein großer Mehrwert für die Kunden, die außerdem von einer höheren Durchgängigkeit zwischen den Prozessen profitieren - ganz im Sinne des Digital Twins, den wir auf allen Ebenen abbilden wollen. Das führt insgesamt also zu niedrigeren Kosten für Betrieb und Wartung der Software.

Was bedeutet diese Konsolidierung für Siemens-Neukunden?

Wolf: Sie bekommen von uns schließlich eine integrierte Gesamtlösung mit durchgängigen End-to-End-Prozessen und einer einheitlichen Bedienung. Wir haben dazu unser bestehendes Angebot erweitert und harmonisiert, was z.B. zu einigen neuen, noch nicht so bekannten Namen führte. Trotzdem bleibt viel Bewährtes natürlich bestehen und auch Upgrades sind weiterhin möglich. Insgesamt besteht die Herausforderung wohl eher darin, den Bestandskunden die Änderungen und Vorteile nachvollziehbar zu kommunizieren.

Wie kompliziert ist das Update für Bestandskunden und inwiefern lohnt sich das überhaupt?

Wolf: Für unsere Kernprodukte gibt es nun mehrere neue große Releases. So ist Camstar in einer neuen Version und mit neuem Namen verfügbar. Unternehmen können problemlos von Version 7.X updaten. Wer die Lösung mit Blick auf das User Interface sehr stark an seine eigenen Bedürfnisse angepasst hat, muss nach dem Wechsel einige Anpassungen vornehmen. Diese sind jedoch deutlich einfacher als zuvor. Der Aufwand dürfte sich also in vernünftigen Grenzen halten. Weil die neuen Versionen sowohl auf einem Handy als auch auf einem Tablet funktionieren, gibt es vor allem beim Look&Feel einige Änderungen. Sie sind dabei deutlich intuitiver bedienbar. Der Kern der Lösungen, die Geschäftslogik und die Daten werden in jedem Fall eins zu eins übernommen. Natürlich können Nutzer aber auch problemlos ihre bestehenden Systeme, etwa auf dem Shop Floor, beibehalten und nur einzelne Bereiche auf die neue Version updaten.

In welchem Maß ließ sich bei diesen Lösungen mit so verschiedenen Entstehungsgeschichten und Einsatzgebieten eine konsistente Benutzeroberfläche schaffen?

Wolf: Dieser Punkt stellte in der Tat eine große Herausforderung dar. Schließlich haben die verschiedenen Systeme eine sehr unterschiedliche Historie und folgen den für ihre Entstehungszeit typischen Bedienphilosophien. Die jüngeren Applikationen setzen beispielsweise stark auf die rechte Maustaste, die zu Kontextmenüs führt. Dieses Konzept mussten wir konsistent auf die Tablet-Bedienung übertragen. Die Anwender werden eine Menge bekannter Bedienelemente finden, etwa Menüs und Kommandobars, die je nach Kontext verschiedene Einträge und Informationen zeigen. Bei allen unseren Angeboten setzen wir auf unser grafisches Framework von Teamcenter Active Workspace, das ein browserbasiertes User Interface unserer PLM-Komponenten darstellt und auf Windows-PCs und auf Tablets eine einheitliche Bedienung ermöglicht. Damit ist der Trainingsaufwand für neue Komponenten oder Applikationen deutlich niedriger.

Sie haben außerdem Ihre MES-Anwendungen Simatic IT und Camstar, jetzt Siemens Opcenter Execution, funktional erweitert. Was ist hinzugekommen?

Wolf: Wir entwickeln alle unseren Lösungen ständig weiter. Bei Camstar z.B. hatten wir in der Vergangenheit einen gewissen Branchenfokus, etwa Semiconductor, Medical Devices und jetzt auch neu Electronics. Mit Simatic IT adressieren wir die restlichen Branchen der diskreten und Prozessindustrie. Schließlich gibt es zwischen den Prozessen in diesen Bereichen einen großen Unterschied. Indem wir die Funktionen für einzelne Fertigungsbranchen optimieren, können Kunden in diesen Branchen auf relevante Basisfunktionalitäten zurückgreifen und müssen diese nicht selbst umsetzen.

Wie ist das Konzept des digitalen Zwillings in Siemens Opcenter realisiert?

Wolf: Der wesentliche Punkt ist, dass wir alle Daten aus den verschiedenen Systemen nutzen und zwischen den Systemen weiterverwenden. Etwa Produktdaten, die im Rahmen des Produktdesigns mit Parametern wie Toleranzen, Materialeigenschaften und weiteren Informationen hinterlegt wurden. Schließlich werden all diese Punkte später im Rahmen der Qualitätsprüfung eine große Rolle spielen. Ein weiterer Aspekt ist, dass im Rahmen von Tools wie Tecnomatix oder Teamcenter Manufacturing einzelne Fertigungsschritte oder komplette Fertigungsabläufe geplant und im Rahmen von Simulationen verifiziert werden können. Aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen entsteht eine verifizierte Bill of Process, die schließlich im MES-System umgesetzt wird. Umgekehrt müssen Daten aus der Produktion mit theoretischen Vorhersagen aus der Simulation abgeglichen werden, um die Simulation immer weiter zu verbessern. In dieser Hinsicht ermöglicht der digitale Zwilling die hundertprozentige Weiterverwendung und sinnvolle Nutzung einmal angelegter Informationen. Das betrifft allerdings nicht allein Siemens Opcenter, sondern viele verschiedene Tools aus unserem Portfolio.

Wie sieht die Roadmap für Siemens Opcenter aus?

Wolf: Die Integration der einzelnen Systeme geht natürlich weiter. Wir investieren darüber hinaus stark in die Weiterentwicklung besonderer Funktionen für einzelne Branchen. Eine immer wichtigere Rolle spielt z.B. das Elektroniksegment. Die Entwicklungen im Automobilbereich zeigen, dass Elektronik eine immer zentralere Komponente von neuen Mobilitätskonzepten ist. Mit der Akquisition von Mentor Graphics vor zwei Jahren haben wir unser Portfolio vor allem in den Bereichen Integrated Chip Design und Printed Circuit Board Design substantiell erweitert. Aber auch die anderen Branchen wie Automobil und Aerospace bleiben natürlich im Fokus. Immer interessanter werden außerdem die Prozessbranchen, wie etwa die chemische Industrie. Dort wird das Thema Digitalisierung in den kommenden Jahren noch eine viel stärkere Rolle spielen.

Siemens betont immer wieder, Unternehmen aller Größen zu bedienen. Dabei könnte eine zugängliche und leicht implementierbare Lösungslandschaft Türen im Mittelstand öffnen, die andernfalls verschlossen blieben. Was ist hinsichtlich Ökosystem und Vertriebsmodelle geplant?

Wolf: Letztlich sind wir tatsächlich sehr breit aufgestellt: mit Lösungen für kleinere, mittlere und große Kunden. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen einem Automobilhersteller und einem Maschinenbauer mit Kleinserienfertigung. Trotzdem sind wichtige Konstruktions- und Fertigungsprozesse, die wir mit unseren Lösungen vereinfachen und optimieren, sehr ähnlich oder sogar die gleichen. Die Frage ist natürlich, ob ein kleines Unternehmen ein großes, umfangreiches PLM- oder MES-System bezahlen möchte. Hier geht die Reise in Richtung Software-as-a-Service. Künftig werden Teile unserer Funktionen als Hosted Service oder native Cloud-Lösung angeboten und können über das Internet auf Subskriptions-Basis genutzt werden, z.B. als ein gewisses Zeitkontingent an Scheduling-Kapazität. Dadurch können wir kleine und mittlere Kunden noch besser erreichen.

Herr Wolf, vielen Dank für das Gespräch.

Siemens AG

Dieser Artikel erschien in IT&Production September 2019 - 06.09.19.
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