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Fahrerloser Hochhubstapler bringt Vormaterial

Ein FTS für enge Gänge

Engel Austria produziert am Stammsitz in Schwertberg Kunststoff-Spritzgussmaschinen. Der Transport von Rohteilen mit bemannten Staplern stieß zum einen angesichts beengter Gänge an Grenzen, zum anderen wollte Engel seine Mitarbeiter für komplexere Arbeiten einsetzen. Heute erledigt ein Fahrerloses Transportsystem im Dreischichtbetrieb zusätzlich 100 Transportaufträge pro Woche.

Bild: DS Automation GmbH / Nik FleischmannBild: DS Automation GmbH / Nik Fleischmann
Beim Zwischenlagern der Rohlinge für die Dreh-/Fräsbearbeitung in einem Puffer-Regal kann AMADEUS seine knapp drei Meter Hubhöhe ausspielen.

Kunststoff-Spritzgussteile entstehen durch Einspritzen erhitzter Polymere oder Elastomere in oft sehr komplexe Formen. Deren Teile müssen mit hoher Präzision bewegt und mit enormen Kräften zusammengehalten werden.

Bild: Engel Austria GmbHBild: Engel Austria GmbH
Im Produktionsjahr 2018/19 hat Engel Austria allein am Hauptsitz in Schwertberg 2.850 Spritzgussmaschinen hergestellt.

Die Engel Austria GmbH ist auf die Herstellung von Spritzgussmaschinen sowie kundenspezifischen, integrierten Gesamtlösungen mit Automatisierung, Prozesstechnik und Werkzeugprojektierung spezialisiert. Das 1945 gegründete Familienunternehmen erwirtschaftete mit seinen weltweit 6.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Geschäftsjahr 2018/19 einen Jahresumsatz von 1,6 Milliarden Euro. Damit gehört Engel zu den ganz großen Playern in der österreichischen Industrie. Engel-Maschinen gehen von Produktionsstandorten in Österreich, China und Korea aus in die ganze Welt. Im letzten Produktionsjahr entstanden allein am Hauptsitz in Schwertberg 2.850 Stück davon.

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Amadeus begegnet dem Kleinlasten-FTF Sally, das per Konturnavigation hauptsächlich Werkzeuge und Messmittel zu den Bearbeitungszentren bringt.

Transportaufgabe Rohteileversorgung

Die Produktion erfolgt mit großer Fertigungstiefe, einschließlich der spanabhebenden Bearbeitung der meisten Strukturteile. Diese findet in Schwertberg im Drei- bis Vierschichtbetrieb auf einem Maschinenpark mit mehr als 30 Bearbeitungszentren statt. Das Vormaterial für die Dreh-/Frästeile mit bis zu 520mm Durchmesser kommt aus einem vollautomatisierten Stangenlager mit fünf Sägestationen. Dort entstehen auftragsbezogen die Rohlinge für die Bearbeitung. Diese gelangen in Wannenpaletten zu den Bearbeitungsmaschinen. Um die Abläufe an den Sägen optimal gestalten zu können, werden sie oft in einem Regal zwischengelagert, das als Pufferlager dient. In der Vergangenheit erfolgte dieser Transport ausschließlich per Gabelstapler. Die dabei zurückgelegten Transportwege in der Halle sind oft mehrere hundert Meter lang.

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Das Fahrerlose Transportsystem musste sich der vorhandenen Infrastruktur anpassen. An den Sägen wie an den Bearbeitungsmaschinen teilen sich die FTF die Übergabestationen auch weiterhin mit bemannten Staplern.

Prozessoptimierung gesucht

"Auf konventionelle Weise war unser anhaltendes Wachstum nicht mehr zu bewältigen, unsere Staplerfahrer hatten die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit erreicht", schildert Peter Nenning, Teamleiter Rohmateriallager, Säge, interne Transporte bei Engel: "Abgesehen von der Schwierigkeit, qualifiziertes Personal zu finden, verhinderten die beengten Platzverhältnisse einen staufreien Verkehr mit mehr als drei Staplern gleichzeitig. Hinzu kommt, dass wir unser geschultes Personal grundsätzlich lieber für komplexe Aufgaben einsetzen wollen." Um die bestehende Mannschaft zu entlasten, startete Engel daher ein Pilotprojekt mit einem Fahrerlosen Transportsystem (FTS). Auf der Grundlage ihrer Erfahrung aus der Fließmontage mit schienengebundenen Systemen entwarfen die Intralogistik-Experten bei Engel einen Anforderungskatalog mit 110 Punkten. Dabei hatten sie auch die Rolle eines FTS als Organisationsinstrument im Hinterkopf.

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An den fünf Sägestationen eines Stangenlagers entstehen auftragsbezogen die Rohlinge für die spanabhebende Bearbeitung von Strukturteilen. Der fahrerlose Hochhubstapler transportiert diese per Laser-Navigation in Wannenpaletten mit bis zu 1,5t Bruttogewi

Komplexe Anforderungen

"Wir suchten eine Lösung, die sämtliche unserer Anforderungen aus einer Hand und innerhalb eines Gesamtsystems erfüllt", berichtet Dipl.-Ing. Christoph Moser, Leiter Intralogistik bei Engel. "Dazu gehörte neben dem Paletten- und Kleinteiletransport auch die Integration von Sonderlösungen." Das schränkte das Feld der Anbieter bereits zu Beginn des Auswahlverfahrens erheblich ein. Nur wenige konnten komplexe Systeme mit gemischten Fahrzeugtypen und Navigationsverfahren anbieten. Aus der Evaluierung ging der FTS-Hersteller DS Automation aus Linz als Sieger hervor.

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Im Produktionsjahr 2018/19 hat Engel Austria allein am Hauptsitz in Schwertberg 2.850 Spritzgussmaschinen hergestellt.

Testanlage mit FTS Sally

Dennoch fiel die Entscheidung für diesen Anbieter erst nach der Installation einer kleineren Testanlage. Dabei kommt das Kleinlasten-FTF Sally der Firma zum Einsatz. Auf einem mehr als 150m langen Kurs bringt es hauptsächlich Werkzeuge und Messmittel zu den Bearbeitungszentren. Der Implementierungsaufwand war gering, denn die Leitsteuerungssoftware DS Navios wurde auf bestehender Server-Infrastruktur bei Engel installiert. Zudem kommt das FTS mit seiner konturbasierten Navigation ohne Installationen entlang der Strecke aus. "Dieser Zwischenschritt gab uns die Gelegenheit, die Leitsteuerungssoftware DS Navios im Detail kennenzulernen und Erkenntnisse über innerbetriebliche organisatorische Voraussetzungen zu gewinnen", erläutert Moser. "Zudem konnten sich die Mitarbeiter in der Produktionshalle langsam an selbstfahrende Fahrzeuge gewöhnen und von deren Sicherheit überzeugen."

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Bestwertung für Amadeus

Ein wichtiger Teil des Gesamtpaketes war das FTS für den Transport der Rohlinge zu den Dreh-/Fräsbearbeitungszentren. "Der Transport erfolgt in Wannenpaletten mit bis zu 1,5 Tonnen Bruttogewicht, andererseits macht das Zwischenlagern der Rohlinge in einem Puffer-Regal knapp drei Meter Hubhöhe erforderlich", sagt Peter Nenning. "Kein Anbieter außer DS Automotion konnte unsere Anforderungen in dieser Kombination erfüllen." Beim gewählten Fahrzeug handelt es sich um den erstmals im Februar 2019 öffentlich vorgestellten Hochhubstapler Amadeus. Das frei navigierende FTF gehört zu einer neuen Generation von Serienfahrzeugen des Linzer FTS-Herstellers. Amadeus ist von Beginn an für den fahrerlosen Betrieb konzipiert. Er wurde komplett bei DS Automotion entwickelt und produziert. Der mechanische Aufbau und die Abstimmung aller Komponenten sind auf Industrietauglichkeit und Langlebigkeit ausgelegt. Durch seine kompakte Bauform und Spurtreue kann das FTF die Transportwege bei Engel uneingeschränkt nutzen. "Auf seinem Weg kann Amadeus einen Gang nutzen, der wegen seiner geringen Breite für den Verkehr mit bemannten Staplern gesperrt ist", erläutert Moser. "So trägt er nicht nur zu einer Verbesserung der Verkehrssituation in unserer Halle bei, sondern gibt den Kollegen Zeit für komplexere Fahrten zurück."

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Integriertes Gesamtsystem

Für den innerbetrieblichen Transport bei Engel nutzt das FTS die Lasernavigation. Dabei sorgen Reflektoren entlang der Gänge für Positioniergenauigkeit. Das Fahrzeug ist mit allen anderen frei navigierenden Systemen von DS Automotion kompatibel. Daher war für das FTS zum Rohteiletransport keine eigene Leitsteuerung erforderlich. Die Installation von DS Navios wurde lediglich erweitert. Dadurch gelang ohne zusätzlichen Aufwand die Integration der beiden Teilsysteme in ein gemeinsam genutztes Gesamtsystem. Beide Systeme können Streckenabschnitte miteinander kollisionsfrei nutzen.

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Akzeptanz durch Sicherheit

Die Entwickler des Intralogistik-Partners wissen, dass der Erfolg eines FTS auch von der Akzeptanz im Betrieb abhängt. Deshalb waren Sicherheit und Kommunikation die höchsten Ziele bei der Entwicklung des neuen FTS-Modells. Dessen Sensoren für die Personensicherheit arbeiten mit Rundumsicht. Ein farbiges Bodenlicht vermittelt Zustandsinformationen auf einen Blick. Zudem kann Amadeus per Sprachausgabe Hinweise geben, wenn etwa Hindernisse zu lange den Weg blockieren. Mit der Formgebung des Fahrzeuges zielte ein prämierter österreichischer Industriedesigner darauf ab, die psychologischen Hürden zur Zusammenarbeit von Mensch und Maschine abzubauen. "Nach anfänglicher Skepsis haben sich unsere Mitarbeiter an Amadeus gewöhnt und Vertrauen in die Technik gefasst", berichtet Peter Nenning. "Sie kennen das berechenbare Verhalten und die kompromisslose Personensicherheit des fahrerlosen Staplers."

Zufrieden in die Zukunft

Das System wurde innerhalb weniger Tage in Betrieb genommen und läuft seit seiner Installation ohne technische Probleme. Noch transportiert der bisher einzige Amadeus nur die Rohlinge zu einer Handvoll Dreh-/Fräsbearbeitungszentrum und kehrt leer zum Rohmateriallager zurück. Dennoch war die angestrebte Entlastung der Staplerfahrer von Beginn an spürbar. Auch deshalb gibt es bei Engel recht konkrete Pläne, das System auf verschiedene Weise auszubauen. "Wir denken daran, das System um zusätzliche Fahrzeuge zu erweitern und mehr Maschinen mit Rohteilen zu versorgen", nennt Moser eines der Vorhaben und ergänzt: "Zusätzlich ist angedacht, die gefertigten Teile zur Weiterverarbeitung zu verbringen." Langfristig kann sich der Intralogistik-Manager eine Umstellung des gesamten innerbetrieblichen Warentransportes auf Fahrerlose Systeme von DS Automotion vorstellen.

DS AUTOMOTION GmbH

Dieser Artikel erschien in IT&Production 1 (Januar Februar) 2020 - 06.02.20.
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