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EMV und Erdung in industriellen Netzwerken

Das Rückgrat der Produktionsanlage

Mit den Themen Erdung und Schirmung stehen und fallen funktionierende Profinet-Installationen bei Maschinen und Anlagen. Zu den Zusammenhängen von Erdung, Schirmung der Signalleitung und EMV verunsichern den Anwender unterschiedliche, sich teilweise widersprechende Aussagen über Ursachen und Wirkung. Stand heute nimmt EMV mit ca. 50 Prozent immer noch einen Spitzenplatz in der Fehlerstatistik ein.

Bild: I-V-G Göhringer
Wenn der Schirm kaum Kontakt hat, ist keine Abschirmung vorhanden. Mit metallischen Kabeldurchführungen wird verhindert, dass hochfrequente Störungen in Steuerungen und Schaltschränke eindringen.

Das ist Grund genug für IVG Göhringer, um zu den Themen Installation und Instandhaltung einen eintägigen Workshop anzubieten. Über viele Jahre hat das Unternehmen Know-how im Bereich der Fehlersuche und Instandhaltung von industriellen Netzwerk- und Feldbusinstallationen aufgebaut. Die Spezialisten werden häufig als Troubleshooter zu Anlagen gerufen, die bei der Inbetriebnahme Netzwerkprobleme haben oder die aufgrund von Störungen in der Netzwerkkommunikation sporadisch ausfallen. Für die hohe Verfügbarkeit einer Anlage ist ein individuelles Erdungskonzept für die Auslegung des industriellen Netzwerks von wesentlicher Bedeutung. Im ganztägigen Workshop werden die verschiedenen Arten von elektromagnetischen Einflüssen erläutert, wie sich diese auswirken und welche konstruktiven Maßnahmen hinsichtlich Erdung und Schirmung dagegen schützen.

Profinet als zentrales Rückgrat

Robuste Netzwerke sind das wesentliche Fundament für eine erfolgreiche Digitalisierung der Produktion. Aufgrund straffer Prozessketten und schlanker Fertigung ohne Puffer wirkt sich ein Ausfall heute viel gravierender aus als noch vor ein paar Jahren, als noch Zwischenlager einzelne Stillstände auffangen konnten. Mit einem Ausfall steht in einer vernetzten Welt nicht nur die lokale Produktion, sondern auch die gesamte Prozesskette still. Spätestens hier wird deutlich, dass Netzwerke als zentrales Rückgrat der Produktionsanlagen sicher und zuverlässig laufen müssen.

Steigende Netzwerkkomplexität

Im Vergleich zu seriellen Feldbussen liegt der Vorteil von Ethernet-basierten Systemen klar auf der Hand: Einfacheres Engineering, höhere Datenraten, skalierbare Echtzeitfähigkeit sowie mehr Möglichkeiten und Flexibilität bei der Netzwerkarchitektur. Aufgrund der Verwendung der bewährten Ethernet-Technologie sind IP-basierte industrielle Netzwerke prinzipbedingt sehr robust gegenüber Störeinflüssen. Dennoch kann es auch hier zu unerwarteten Ausfällen kommen. Bei Ethernet-basierten Systemen wie Profinet gestaltet sich die Fehlersuche im Vergleich zu klassischen Feldbussystemen schwieriger, da die Frequenzen von Nutzsignal und Störgröße oft im selben Bereich liegen.

Bild: I-V-G Göhringer

Konstruktive Mängel

Bei der Suche nach den Ursachen für die Störungen ist eine Unterscheidung zwischen konstruktiven Mängeln und der Alterung der Businstallation sinnvoll. Zu den konstruktiven Mängeln zählen:

  • • Erdschlüsse durch falsche Paarungen von Steckverbinder und Kabeln
  • • Schirm nur einseitig aufgelegt
  • • Schirm per Pigtail (Schweineschwanz) angeschlossen, anstatt flächig verbunden
  • • Fehlender oder unzureichend dimensionierter Potenzialausgleich
  • • Fehlende Trennung zwischen Strom- und Datenleitungen
  • • Sternförmige Erdung und unsymmetrische Belastung der Stromversorgung

Es ist jedoch zu beobachten, dass, im Vergleich zur Situation vor zehn Jahren, in der heutigen Praxis wesentlich mehr Wert auf ein EMV-gerechtes Anlagendesign gelegt wird.

Schirmauflage ist wesentlich

Die wichtigste Maßnahme zum Schutz von Maschinen und Anlagen vor elektromagnetischen Störungen ist eine ordnungsgemäße Schirmleitung und Schirmanbindung. Dazu gehört eine flächige Schirmauflage und Erdung an beiden Enden. In der Praxis ist hin und wieder zu sehen, dass der Schirm, ähnlich wie die Signalleitungen, nur punktförmig angelötet ist. Die Abschirmung erfüllt ihren Zweck nur gut, wenn sie unterbrechungsfrei und durchgängig geschlossen ist und zudem gut leitend mit der Funktionserde verbunden ist. Mit metallischen Kabeldurchführungen wird verhindert, dass hochfrequente Störungen in Steuerungen und Schaltschränke eindringen. "Manchmal wird der Schirm nur einseitig aufgelegt, mit dem Argument, dann könne auf dem Schirm kein Strom fließen", berichtet Hans-Ludwig Göhringer aus der Praxis und erläutert weiter: "Das gilt nur für magnetische Felder. Ein hoher Schirmstrom lässt auf einen fehlenden Potenzialausgleich schließen - dort muss der Hebel angesetzt werden."

Erdungsstruktur und Potenzialausgleich

In der DIN50310 und in den PNO-Empfehlungen sind die Mindestanforderungen an Erdung und Potenzialausgleich für Gebäude und Anlagen mit informationstechnischen Einrichtungen festgelegt. Darunter fallen auch die elektrische Steuerungstechnik, Bussysteme und Netzwerke. Grundsätzlich wird der Übergang von der Sternpunkterdung zu einem vermaschten Erdungssystem empfohlen. Die Norm 50310 ist zwar im Zusammenhang mit der Ethernet-Verkabelung entstanden, galt aber auch als Wegweiser für die PNO-Empfehlung und beliebige andere Bussysteme. "Der Leitgedanke, der hinter der vermaschten Struktur steht, ist, dass sich der Strom den richtigen Weg sucht", erläutert Göhringer und fügt an: "Im Grundsatz ist der Weg richtig. Aber es gibt keine Lösungswege, die pauschal richtig sind und für jede Anlage passen. In einer Maschenerdung nach Lehrbuch kann es auch passieren, dass man den Strom an einen Punkt leitet, an dem man ihn gar nicht haben möchte." Zudem fehlt in der DIN50310 der praktische Bezug. Vorgeschlagen wird dem Anwender deshalb eine strukturierte Vorgehensweise, in die auch die vorhandene Felderfahrung mit einfließt.

Inhalte des Workshops

Im eintägigen Praxis-Workshop lernen die Teilnehmer die Grundlagen zu Themen wie Leitungsabschirmung und Potentialausgleich. Wichtige Aspekte bei der Kabelführung werden ebenso behandelt wie die einfache EMV-Bewertung einer Gesamtanlage. Mit einem Schulungskoffer werden sowohl die Suche nach EMV-Störern wie auch verschiedene Fixing-Maßnahmen praktisch vorgeführt. Dabei kommt auch der Quicktester ESD-QT 16 zum Einsatz. Er signalisiert Entladungen per Alarmleuchte oder Hupe. Mögliche Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden an elektronischen Baugruppen runden den Workshop ab. Im Workshop-Paket ist für jeden Teilnehmer ein persönlicher Sonden-Bausatz enthalten, mit dem er in seinen Anlagen selber nach Störern suchen kann. Anpassungen und Erweiterungen in der Normenwelt werden ebenfalls behandelt, z.B. die 'Planungs- und Installationsempfehlungen für die Funktionserdung und Schirmung von Profibus- und Profinet-Netzwerken' oder 'DKE/AK 712.0.6 PA-Ströme' aus den VDE.

Erdschleifen-Messzange

Die Erdschleifen-Messzange wird ebenfalls im Workshop besprochen. Sie besteht aus zwei Spulen. Über eine Spule wird auf die Leitung ein Strom induziert und mit der anderen Spule wird der resultierende Strom gemessen. Je nach Schleifenwiderstand ist der Strom in seiner Größe unterschiedlich hoch. In der Praxis wird manchmal fälschlicherweise festgestellt, dass der Widerstand zu hoch ist - und eine bestehende Leitung gegen ein Kabel mit geringerem Widerstand ausgewechselt. Jedoch fließt dann mehr Strom. Damit wird mehr Leistung auf die Datenleitung eingekoppelt und das EMV-Verhalten der Anlage verschlechtert sich. Im Workshop werden die verschiedenen Messmethoden und -verfahren besprochen, welche Fallstricke lauern und wie sie umgangen werden können.

I-V-G Göhringer

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 2 März 2020 - 03.03.20.
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