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Interview mit Markus Hettig, Vice President Building Business DACH bei Schneider Electric

Datenpunkte schaffen

Am Rande der Veranstaltung unterhielt sich SCHALTSCHRANKBAU-Chefredakteur Jürgen Wirtz mit Markus Hettig, Vice President Building Business DACH bei Schneider Electric, über die Entwicklungen der Branche in den letzten knapp zwei Jahren.

Bild: Schneider Electric GmbHBild: Schneider Electric GmbH
Markus Hettig: "Das Thema Service und Dienstleistungen in Form von bezahltem Consulting wird sowohl von Industrieunternehmen, als auch von Projektentwicklern im Gebäudesektor mehr als jemals zuvor nachgefragt."

Herr Hettig, in den vergangenen fast zwei Jahren haben wir Pandemie-bedingt in vielen Bereichen einen Digitalisierungsschub erlebt. Gilt dies Ihren Erfahrungen nach auch für den Schaltanlagenbau?

Markus Hettig: Definitiv. Zunächst einmal wurde uns durch diese Ausnahmesituation deutlich vor Augen geführt, wie wichtig das Thema Fernwartung ist. Denn vielfach durften aufgrund von Corona Gebäude oder Firmenareale nicht betreten werden, oder das notwendige Service-Personal fiel krankheitsbedingt aus. Als Facility Manager möchte ich aber meine Immobilie weiterhin managen können, und als Verantwortlicher für eine Fertigungslinie oder als Energieversorger möchte ich wissen, wie es meinen Maschinen und Anlagen geht, um gegebenenfalls zu handeln. Ein weiterer wichtiger Digitalisierungs-Beschleuniger sind die enorm gestiegenen Energiepreise. Um Quartiere oder ganze Städte energetisch effizient betreiben zu können, benötigen die Verantwortlichen z.B. einen reibungslosen Datenaustausch zwischen Mittelspannungs- und Niederspannungsebene und weiter ins Gebäude. Die wechselseitige Kommunikation zwischen der Mittelspannungsschaltanlage des EVU und einer Niederspannungsschaltanlage regelt die IEC61850. Von der Niederspannung ins Gebäude gibt es dann drei maßgebliche Protokolle: KNX und den EEBus für den Wohnbau und Bacnet für den Zweckbau. Wichtig für diese Kommunikation ist aber, dass hierfür verschiedene Datenpunkte geschaffen werden, beispielsweise durch den Einbau von Smart Meter Gateways in die Niederspannungsschaltanlage. Ein dritter Punkt ist die in jüngster Zeit aufgekommene Frage, ob wir nach wie vor derart viele Bürogebäude brauchen. Konsens ist mittlerweile, dass wir tatsächlich nicht so viele, dafür aber deutlich smartere Gebäude benötigen. Auch hierfür bilden automatisierte Schaltanlagen und Software eine wichtige Grundlage.

Einer Ihrer Kollegen beleuchtete vorhin in einem Vortrag den CO2-Abdruck von Schneider Electric und konstatierte dabei, dass 90% der CO2-Emissionen deshalb zustande kämen, weil Kunden ihre Produkte nicht ausreichend effizient einsetzten. Bedeutet dies nicht im Umkehrschluss, dass die Hardware-Lösungen zur Digitalisierung mittlerweile ausreichend vorhanden sind, die Anwendung der Produkte aber noch zu wünschen übrig lässt. Gewinnen da nicht Beratungsdienstleistungen zunehmend an Bedeutung?

Hettig: Ja, ganz massiv. Das Thema Service und Dienstleistungen in Form von bezahltem Consulting wird sowohl von Industrieunternehmen, als auch von Projektentwicklern im Gebäudesektor mehr als jemals zuvor nachgefragt. Die Dienstleistungen, die wir dort erbringen, münden in einer Beratung mit einer neutralen Empfehlung im Hinblick auf die einzusetzenden Lösungen. Wichtige Bausteine bei dieser Beratung sind zudem unsere unterschiedlichen EcoStruxure Software-Tools, in die jede Menge Expertenwissen eingeflossen ist. Wenn ein Facility Manager beispielsweise mit dem Building Advisor arbeitet, muss er keine technischen Sachverhalte interpretieren, sondern er wird darauf hingewiesen, dass eine Anlage falsch eingestellt ist und erhält konkrete Handlungsempfehlungen. Daraus zieht er einen finanziellen Nutzen und reduziert zugleich seinen CO2-Ausstoß.

Wie sieht es mit dem Steuerungsbauer und dem Thema Digitalisierung aus?

Hettig: Auch der Steuerungsbauer kann seinen Kunden einen Mehrwert verkaufen, z.B. durch das Digital Logbook, d.h. der digitalen Dokumentation, die er in Form eines QR-Codes an seiner Schaltanlage befestigt. Mittels Cloud-Anbindung hat hier der Betreiber jederzeit Zugriff etwa auf Stromlaufpläne, Materialersatzteillisten, Wartungsempfehlungen, Bedienungsanleitungen, etc. Das Schöne daran: Ich kann tatsächlich auch nach zehn Jahren die Anlagentür öffnen, den QR-Code scannen und habe dann sofort die Dokumentation vorliegen. Aus der Praxis wissen wir, wie schwer es manchmal ist, nach einem Jahrzehnt z.B. die Stromlaufpläne wiederzufinden.

Verdunkelt werden die ausgesprochen positiven Zahlen der Branche durch teils dramatische Lieferengpässe bei Halbleitern, Kupfer, Aluminium oder Kunststoffen. Wie bedrohlich schätzen Sie dieses Problem ein?

Hettig: Es sind zwei Faktoren: Zum einen sind es die Lieferengpässe, die uns ausbremsen, und die Preissteigerungen sowohl bei den Rohstoffen, aber auch im Transportwesen. Wo früher ein 40t-Seecontainer ca. 2.000 US-Dollar gekostet hat, reden wir aktuell über 20.000 US-Dollar, also eine Verzehnfachung des Preises. Hinzu kommt, dass in der Pandemie Fertigungskapazitäten, z.B. im Stahlblech-Bereich, abgebaut wurden. Der Materialbedarf ist aber jetzt höher als in der Vor-Corona-Zeit. Damit gibt es auch im Stahlblech-Bereich Preissteigerungen, die seit dem Dezember letzten Jahres bis heute 70 bis 80% betragen. (jwz)

Schneider Electric GmbH

Dieser Artikel erschien in SCHALTSCHRANKBAU 7 (November) 2021 - 10.11.21.
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