Motorschutz im Zeitalter von IE3
Auswirkungen der ErP-Richtlinie auf die Schalt- und Schutzsysteme für Elektromotoren
Die aktuelle ErP-Richtlinie führt zu immer energieeffizienteren Elektromotoren - mit Folgen für deren Konstruktion und deren Schutzsysteme. Deshalb ist bei der Wahl entsprechender Schaltgeräte darauf zu achten, dass die Motorschutz-Lösungen den aktuellen Entwicklungen Rechnung tragen. Dann lässt sich auch in Zeiten von IE3-Motoren sicher schalten und schützen.
Die Verschärfungen der Motorenverordnung tragen dazu bei, dass der Druck auf Unternehmen in der Industrie wächst, auf energieeffizientere Antriebe umzustellen. Das ist durchaus nicht nur ein europäisches Phänomen. Weltweit unternehmen Regierungen und Verbände Anstrengungen, den Einsatz von effizienten Elektromotoren in der Industrie zu fördern. In den USA gelten bereits seit Jahren Mindesteffizienzstandards (IE2 seit 2004 und IE3 seit 2010). Motoren der Klasse IE2 haben dort bereits einen Marktanteil von weit über 50%, die noch effizienteren IE3-Motoren liegen schon bei über 20%. Der Anteil in Deutschland und Europa liegt mit rund 10% bei den IE3-Motoren noch weit zurück und birgt deshalb ein entsprechend großes Potenzial. In China wurde der IE2-Standard im Jahr 2011 verpflichtend und die dortige Regierung arbeitet an der Einführung von IE3. Gerade für den exportstarken deutschen Maschinen- und Anlagenbau bedeutet das, dass er sich dem Thema Energieeffizienz in der Antriebstechnik stellen muss, will er heute und in Zukunft weltweit erfolgreich sein.
Auswirkungen von IE3 auf die Motor-Konstruktion
Durch die ErP-Richtlinie bzw. die Motorenverordnung sind die Hersteller von Elektromotoren gezwungen, einige konstruktive Veränderungen an ihren Produkten vorzunehmen. Diese beeinflussen auch die elektrischen Eigenschaften des Motors. So reduzieren dickere Wicklungsdrähte im Stator sowie dickere Rotorstäbe und Kurzschlussringe den ohmschen Widerstand. Eine verbesserte Blechschnittgeometrie senkt die magnetischen Streuverluste. Hochwertigeres Blechmaterial verringert Hysterese-Verluste. All das führt dazu, dass hocheffiziente Motoren induktiver sind. Das liegt daran, dass die ohmschen Verluste Pv = I²R geringer ausfallen. Infolgedessen steigen die Einschaltströme. Das heißt, dass sich die Anforderungen an die Schaltgerätetechnik wie Schütze und Motorschutzschalter ändern. Die erhöhten Anlaufströme können dazu führen, dass das Schutzelement unter Umständen auslöst, obwohl kein Fehler oder Kurzschluss vorliegt. Weiterhin kann es beim Schütz zu Kontaktabhebungen kommen, die das Gerät zusätzlich thermisch belasten und im Extremfall zum Verschweißen der Kontakte führen. Das Verschmelzen der Kontakte kann kostspielige Maschinen-Stillstände und aufwändige Service-Arbeiten verursachen. Außerdem wird die Lebensdauer der Schütze negativ beeinflusst. Aufgrund der geschilderten Veränderungen in der Konstruktion hocheffizienter Motoren und den möglichen Risiken für den Anwender sind Hersteller von Schutzorganen gefordert, ihre Geräte auf die geänderten Bedingungen hin zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechend anzupassen. Denn seit Januar erwarten Anwender sichere, zuverlässige Lösungen, die den Anforderungen von Motorschutzorganen im Zeitalter der Energieeffizienzklasse IE3 entsprechen.
Studie zum Verhalten von Schaltgeräten beim Direktanlauf
Als Anbieter im Bereich Schalten, Schützen und Antreiben von Motoren hat das Unternehmen Eaton eine Studie durchgeführt, um das Verhalten von Motorschutzorganen detailliert in Praxistests zu untersuchen. Um zu prüfen, wie sich die konstruktiven Veränderungen an IE3-Motoren auf Schutzorgane auswirken, wurden Tests mit IE3-Motoren verschiedener namhafter Hersteller durchgeführt. Beispielhaft werden die Ergebnisse drei unterschiedlicher hocheffizienter Fabrikate vorgestellt. Diverse Anlauffaktoren (siehe Tabelle 1) wurden für die getesteten IE3-Elektromotoren im Rahmen der Studie ermittelt. Ein Vergleich der Studienergebnisse mit den Katalogdaten der getesteten Fabrikate ergab, dass die Werte für den Anlaufstrom im Praxistest höher sind als von den Herstellern angegeben. Außerdem zeigten die Tests, dass die Anlaufströme der IE3-Motoren deutlich höher ausfallen als die von IE2-Motoren - im Vergleich zu IE1-Motoren sogar um das 1,25fache. Die steigenden Anlaufströme bei IE3-Motoren führen auch dazu, dass in den entsprechenden Gremien bereits eine Änderung der entscheidenden Norm IEC/EN60947 diskutiert wird. Diese sieht eine Anhebung der geforderten Mindestanlauffaktoren für Schutzorgane vor. Die IEC/EN60947 beschreibt die konstruktiven Merkmale, Funktionseigenschaften und Prüfungen von Niederspannungsschaltgeräte und findet sich in der deutschen Vorschrift VDE0660 wieder.
Herausforderung für die Hersteller
Die skizzierte Entwicklung zwingt Hersteller von Schaltgeräten dazu, ihr vorhandenes Portfolio zu überprüfen und zu verbessern. So wurden im Rahmen der Studie sowohl Leistungsschütze für Direktanlauf in öffentlichen und nichtöffentlichen Netzen sowie für Stern-Dreieck-Anlauf und im Zusammenwirken mit Soft-Startern oder Frequenzumrichtern auf IE3-Tauglichkeit überprüft. Auch das Ansprechverhalten von mechanischen und elektrischen Motorschutzschaltern wurde getestet. Im Folgenden werden sowohl die Auswirkungen der erhöhten Anlaufströme auf die verschiedenen Schalt- und Schutzorgane als auch mögliche Lösungswege aufgezeigt.
- • Schütze: Die Tests ergaben, dass Schütze gegebenenfalls für die höheren Anlaufströme der IE3-Motoren optimiert werden müssen. Eine mögliche Lösung ist die Erhöhung der Kontaktdruckkraft. Die Herausforderung hierbei besteht darin, eine gute Balance zwischen weiterhin geringer Antriebsleistung (Energieeffizienz) und gleichzeitig erhöhter Kontaktdruckkraft (Sicherheit) zu finden, sodass auch die höheren Anlaufströme der hocheffizienten Motoren beherrscht werden.
- • Mechanischer Motorschutzschalter: Bei den Tests kam es trotz der erhöhten Anlaufströme zu keinen ungewollten Auslösungen. Im Bereich des Anlaufspitzenstromes sind jedoch noch mögliche Toleranzen des Magnetauslösers zu berücksichtigen. Je nach Toleranzlagen besteht daher die Gefahr von Fehlauslösungen. Die Lösung: Um Fehlauslösungen während des Motoranlaufs zu vermeiden, müssen die Ansprechgrenzen des Kurzschlussauslösers erhöht werden. Dies ist - abhängig vom jeweiligen Strombereich - durch eine stärkere Feder bzw. höhere Raststellung der Feder des elektromechanischen Auslösers möglich. Zum anderen durch Anhebung der Kennlinie des elektronischen Kurzschlussauslösers (Auslöseblock). Dies kann durch Änderungen des Wandlers mithilfe einer stärkeren Sekundärwicklung oder Anpassungen der Elektronik-Hardware (Bypass-Widerstand) bzw. -Software (Auslösekennlinie) geschehen.
Wahl der Schutzorgane
Die meisten Neuerungen, die mit der Einführung der IE3-Motoren einhergehen, betreffen die Hersteller von Elektromotoren und Schaltgeräten. Aber auch für Anwender gibt es einiges bei der Wahl passender Schutzorgane zu beachten. Zum Beispiel die oben beschriebenen Toleranzen des Magnetauslösers im Bereich des Anlaufspitzenstroms, die bis zu 20% betragen können. Um sich sicher zu sein, dass sich Auslöse- und Motorkennlinie beim Motoranlauf trotz der erhöhten Anlaufströme nicht berühren und somit Fehlauslösungen der Schutzorgane auftreten können, gilt es die beiden Kurven im Vorfeld anwendungsspezifisch abzugleichen. Hierbei helfen Tools wie Eatons Programm Curve Select. Außerdem sollten Anwender darauf achten, dass die eingesetzten Schaltgeräte und Motorschutzorgane in der Anwendung mit hocheffizienten Motoren tatsächlich bereit für IE3 sind. Dies ist unbedingt notwendig, da ansonsten die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Maschinen und Anlagen auf dem Spiel stehen. Daher gilt es, bei der Auswahl der Lieferanten von Schutzorganen große Sorgfalt walten zu lassen und wirklich nur auf Produkte zu setzen, die die neuen Anforderungen nachgewiesenermaßen erfüllen. Damit Anwender ganz sicher sein können, dass ihr Produkt IE3-tauglich ist, hat Eaton eine entsprechende Filterfunktion in sein Auswahl-Tool Motorstarter-Konfigurator integriert. Damit fällt es Interessenten leicht, die passende Motorstarterlösung für die jeweilige Anwendung zu finden. Zuletzt sollten Anwender auf Markenprodukte setzen. Denn nur bei den namhaften Herstellern ist davon auszugehen, dass sie ausreichende Prüfungen vorgenommen haben, um die IE3-Tauglichkeit ihrer Produkte sicherzustellen. Es empfiehlt sich außerdem, für den Motorschutz nur Schütze bzw. Motorschutzschalter einzusetzen, die auch hierfür vorgesehen sind. Denn Hilfsschütze oder Spezialschütze, wie sie beispielsweise bei Heizungs- und Lichtanlagen bzw. Motoren mit geringer Schalthäufigkeiten Anwendung finden, verfügen nicht über eine ausreichende Kontaktdruckkraft und sind daher nicht für den Anlauf von IE3-Motoren geeignet. Auswahl-Tools verhindern, dass Anwender in eine Falle tappen.
Fazit
Die Entwicklung von hochwertigen Schaltgeräten wie Schützen und Motorstartern, den neuen Variable Speed Startern (VSS) PowerXL DE1 oder Power XL-Frequenzumrichtern ist eine Kernkompetenz von Eaton. Als Schaltgerätehersteller hat das Unternehmen seine Produktpalette auf die Tauglichkeit für Motoren der Energieeffizienzklasse IE3 hin geprüft und entsprechende Maßnahmen ergriffen, um diese zu garantieren. Nach eingehenden Tests hat Eaton die Schütze DIL sowie die Motorschutzschalter PKZ und PKE auf die veränderten Anforderungen der IE3-Motoren hin ausgelegt. Um hohe Zuverlässigkeit und Sicherheit zu gewährleisten, hob der Anbieter die Ansprechgrenzen des Kurzschlussauslösers an, da der bisherige Anlauffaktor acht (Anlaufspitzenstrom zu Betriebsstrom), wie in der EN60947-4-1 derzeit spezifiziert, für IE3-Motoren nicht ausreicht. Eaton setzt bei seinen Produkten sogar einen Anlauffaktor 12 bis 15,5 an, um auf Nummer sicher zu gehen und die Zukunftsfähigkeit der Produkte zu gewährleisten. Die Schütze schaffen weiterhin den Spagat, eine möglichst geringe Halteleistung und damit hohe Energieeffizienz aufzuweisen und dennoch die erhöhten Anlaufströme von IE3-Motoren sicher schalten zu können. Sowohl die Leistungsschütze der DILSerie als auch die Motorschutzschalter der Produktfamilien PKZ und PKE eignen sich bereits heute für den sicheren Betrieb von IE3-Motoren. Um dies kenntlich zu machen und Anwendern die Auswahl der Produkte zu erleichtern, führt das Unternehmen eine klare Kennzeichnung ein, die die entsprechenden Produkte eindeutig als IE3-tauglich ausweist. Somit können Anwender sicher sein, dass keine bösen Überraschungen auf sie warten. Besonders wichtig ist die Kennzeichnung, da es durch die globalen Liefergebiete des Maschinenbaus und die schrittweise Einführung der effizienteren Motoren zu gemischten Lagerbeständen kommen kann. Bei diesen besteht das Risiko, dass Komponenten für den Anlauf von IE3-Motoren eingesetzt werden, die gar nicht dafür geeignet sind.
Die aktuelle ErP-Richtlinie führt zu immer energieeffizienteren Elektromotoren - mit Folgen für deren Konstruktion und deren Schutzsysteme. Deshalb ist bei der Wahl entsprechender Schaltgeräte darauf zu achten, dass die Motorschutz-Lösungen den aktuellen Entwicklungen Rechnung tragen. Dann lässt sich auch in Zeiten von IE3-Motoren sicher schalten und schützen.
Die Verschärfungen der Motorenverordnung tragen dazu bei, dass der Druck auf Unternehmen in der Industrie wächst, auf energieeffizientere Antriebe umzustellen. Das ist durchaus nicht nur ein europäisches Phänomen. Weltweit unternehmen Regierungen und Verbände Anstrengungen, den Einsatz von effizienten Elektromotoren in der Industrie zu fördern. In den USA gelten bereits seit Jahren Mindesteffizienzstandards (IE2 seit 2004 und IE3 seit 2010). Motoren der Klasse IE2 haben dort bereits einen Marktanteil von weit über 50%, die noch effizienteren IE3-Motoren liegen schon bei über 20%. Der Anteil in Deutschland und Europa liegt mit rund 10% bei den IE3-Motoren noch weit zurück und birgt deshalb ein entsprechend großes Potenzial. In China wurde der IE2-Standard im Jahr 2011 verpflichtend und die dortige Regierung arbeitet an der Einführung von IE3. Gerade für den exportstarken deutschen Maschinen- und Anlagenbau bedeutet das, dass er sich dem Thema Energieeffizienz in der Antriebstechnik stellen muss, will er heute und in Zukunft weltweit erfolgreich sein.
Eaton Industries GmbH
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 7 2015 - 09.07.15.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de