Bauwerkintegrierte Photovoltaik
Mehr als nur Fassade
40GW an Photovoltaikleistung wurden laut EPIA (European Photovoltaic Industry Association) allein im vergangenen Jahr weltweit zugebaut. In Europa hat England die Führung beim PV-Zuwachs übernommen, doch alle EU-Länder bereiten sich schon auf die neue Gebäuderichtlinie vor, die ab 2021 nur noch nearly-zero-Bauten vorsieht. Bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) wird zum Baustoff der Energie-Autarkie.
Gut geplant ist schon halb Strom gewonnen. Das gilt für klassische PV-Aufdachanlagen, mehr aber noch für die bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV). Letztere kann neben der Stromerzeugung auch Funktionen wie Wind-, Wetter-, Sicht- und Sonnenschutz übernehmen und klassische Baustoffe wie Marmor oder Glas nicht nur ergänzen, sondern ersetzen. Um bis zu 60 Prozent geringere Klimatisierungskosten sind ebenfalls ein gutes Argument; die Frage nach der Amortisation mag so mancher Fachplaner aber nicht mehr hören. "Schließlich handelt es sich bei einer bauwerkintegrierten PV-Anlage um einen Gebäudebestandteil, also ein notwendiges Bauteil - und nicht um eine wirtschaftliche Anlage zur Verbesserung der Liquidität", sagt Frank Fasold, Diplom-Wirtschaftsinformatiker und Inhaber der FFaCon Industrieberatung. Während klassische Aufdachanlagen häufig unter Zuhilfenahme von Tools geplant werden könnten, sei BIPV immer individuell und einzeln zu berechnen, betont der PV-Sachverständige - besonders im Hinblick auf die Statik. Auch die jeweiligen Architekten befänden sich sofort mit im Boot: Es geht um Optik und damit um die Außenwirkung der Gebäude.
Gute Prognosen
Griechenland, Italien und Deutschland decken bereits mehr als sieben Prozent ihres Energiebedarfs mit Strom aus Photovoltaikanlagen. Optimistische Prognosen sagen ein weltweites PV-Volumen von 540GW, pessimistischere knapp 400GW für das Jahr 2020 voraus - immerhin eine Verdopplung gegenüber 2014. In Europa werde die ab 2021 geltende Gebäuderichtlinie für einen deutlichen Zuwachs an bauwerkintegrierter Photovoltaik sorgen, betont Sylvia Schmenk. Als Musterbeispiel nennt die Geschäftsführerin der Solarnova Deutschland GmbH das Energie-Plus-Projekt Aktiv-Stadthaus: Mitten in Frankfurts Innenstadt werden 74 Wohneinheiten durch eine hocheffiziente Aufdachanlage und 348 geschosshohe, maßgeschneiderte BIPV-Module (Gesamtleistung 117,8kWp) mit Strom versorgt. Der Überschuss fließt in einen Speicher, der u.a. die Betankung von Elektrofahrzeugen sicherstellt. Solarnova wurde für das Projekt mit dem europäischen Intersolar Award 2015 ausgezeichnet.
Wo Schatten ist, war auch Licht
Wie sich moderne PV-Anlagen in das Stadtbild einfügen, wollte auch die Hamburger TuTech Innovation GmbH beweisen. Die Tochtergesellschaft der Technischen Universität Hamburg-Harburg ist zentrale Anlaufstelle für alle Fragen des Technologie- und Wissenstransfers in der Metropolregion Hamburg. Ihre Solaranlage besteht aus 138 Dach- und 66 BIPV-Modulen mit einer Gesamtleistung von 39kWp. Die Fassadenmodule übernehmen neben der Stromproduktion auch gleich den Sonnenschutz für die auf der Südseite gelegenen Büros. Auf eine nachträgliche Montage von Außenjalousien konnte TuTech verzichten. "Es ist schön, zu sehen, dass der einzukaufende Strom reduziert wird", sagt Prokurist Thilo Jungnickel, Leiter IT Services und Technische Dienste bei TuTech. "In unserem Fall rund ein Drittel der Tagesspitzenmenge." Die Anlage laufe zuverlässig, wenngleich die Qualität der verbauten Wechselrichter nicht mit der Qualität der PV-Module mithalten könne. Umgesetzt wurde das Projekt mit Unternehmen aus der Metropolregion Hamburg. Die Module sind ebenfalls in Elbnähe entstanden: Maßarbeit aus Wedel.
Gute Planung
Eine bauwerkintegrierte PV-Anlage sollte grundsätzlich nicht vom Installateur, sondern von einem Fachplaner entwickelt werden, betont Frank Fasold. Ein guter BIPV-Anbieter müsse Hilfestellung bei der Auswahl von Größe, Form und Gestaltung leisten und bei der Frage beraten können, wie durch geschickte Auswahl und Anordnung kostengünstige Haltekonstruktionen zu erstellen sind. Erdung, Blitzschutz und Gebäudedämmung seien wichtige Themen, ein guter Partner müsse statische Angaben sowohl bewerten als auch in die Praxis umsetzen können. Tatsächlich entscheidet die Qualität der Planung häufig über die finalen Kosten während der Bau- und Nutzungsphase. Statische Berechnungen, die Auslegung der Anlagengröße und ihre Anbindung an die Gebäudetechnik spielen eine Rolle; auch die Ausarbeitung, Simulation und wirtschaftliche Darstellung sei entscheidend, betont Eric Schuldt von der NDB EnergieKonzepte GmbH. Eine PV-Anlage müsse sich an dem vor Ort benötigten Bedarf orientieren; maßgeschneiderte Module spiegeln dann sowohl die Wünsche des Bauherrn, die Vorgaben des Architekten als auch die Güte der Planungsarbeit wieder. Mit dem Neubau des eigenen Verwaltungsgebäudes entstand in Stade ein Musterbeispiel in Sachen Fassadengestaltung. Das Objekt mit rund 1.000m² Bürofläche integriert eine vorgehängte, hinterlüftete Metallfassade inklusive 23 tiefschwarzen Glas-Folien-Modulen von je 2,60x1,25m. Sie summieren sich auf 8,28kWp und setzen in der Fassadenfläche reizvolle Akzente. Befestigt wurden sie mit einer Pfosten-Riegel-Konstruktion der NDB Bautechnik. Der Neubau ist quasi eine Ausstellung der NDB-eigenen Kernkompetenzen - dazu gehören neben Elektro- und Bautechnik auch moderne Energiekonzepte. Die Summe der von NDB bisher installierten PV-Anlagen hat über zwölf Prozent mehr Energie erzeugt, als vorab prognostiziert. Je nach Auslegung der Module und Ausrichtung der Fassade liege der jährliche Energie-Ertrag in Hamburg z.B. bei bis zu 90kWh pro Quadratmeter Zellenfläche.
BIPV gehört die Zukunft
Wer BIPV auf den Renditegedanken reduziert, wird der Zukunftstechnologie nicht gerecht. Maßgeschneiderte Module liefern nahezu unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten; zudem tragen sie zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes, der Klimatisierungskosten und damit auch gleichzeitig zur Energieautarkie bei. Ganz nebenbei bereichern sie den Charakter ganzer Straßenzüge und schließlich schreibt man den PV-Fassaden eine weitere Außenwirkung zu: "Hier wohnt die Wertschätzung von Klima und Umwelt". Bei den erwarteten Strompreissteigerungen vermutlich zu sehr interessanten Konditionen.
40GW an Photovoltaikleistung wurden laut EPIA (European Photovoltaic Industry Association) allein im vergangenen Jahr weltweit zugebaut. In Europa hat England die Führung beim PV-Zuwachs übernommen, doch alle EU-Länder bereiten sich schon auf die neue Gebäuderichtlinie vor, die ab 2021 nur noch nearly-zero-Bauten vorsieht. Bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) wird zum Baustoff der Energie-Autarkie.
Gut geplant ist schon halb Strom gewonnen. Das gilt für klassische PV-Aufdachanlagen, mehr aber noch für die bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV). Letztere kann neben der Stromerzeugung auch Funktionen wie Wind-, Wetter-, Sicht- und Sonnenschutz übernehmen und klassische Baustoffe wie Marmor oder Glas nicht nur ergänzen, sondern ersetzen. Um bis zu 60 Prozent geringere Klimatisierungskosten sind ebenfalls ein gutes Argument; die Frage nach der Amortisation mag so mancher Fachplaner aber nicht mehr hören. "Schließlich handelt es sich bei einer bauwerkintegrierten PV-Anlage um einen Gebäudebestandteil, also ein notwendiges Bauteil - und nicht um eine wirtschaftliche Anlage zur Verbesserung der Liquidität", sagt Frank Fasold, Diplom-Wirtschaftsinformatiker und Inhaber der FFaCon Industrieberatung. Während klassische Aufdachanlagen häufig unter Zuhilfenahme von Tools geplant werden könnten, sei BIPV immer individuell und einzeln zu berechnen, betont der PV-Sachverständige - besonders im Hinblick auf die Statik. Auch die jeweiligen Architekten befänden sich sofort mit im Boot: Es geht um Optik und damit um die Außenwirkung der Gebäude.
Gute Prognosen
Griechenland, Italien und Deutschland decken bereits mehr als sieben Prozent ihres Energiebedarfs mit Strom aus Photovoltaikanlagen. Optimistische Prognosen sagen ein weltweites PV-Volumen von 540GW, pessimistischere knapp 400GW für das Jahr 2020 voraus - immerhin eine Verdopplung gegenüber 2014. In Europa werde die ab 2021 geltende Gebäuderichtlinie für einen deutlichen Zuwachs an bauwerkintegrierter Photovoltaik sorgen, betont Sylvia Schmenk. Als Musterbeispiel nennt die Geschäftsführerin der Solarnova Deutschland GmbH das Energie-Plus-Projekt Aktiv-Stadthaus: Mitten in Frankfurts Innenstadt werden 74 Wohneinheiten durch eine hocheffiziente Aufdachanlage und 348 geschosshohe, maßgeschneiderte BIPV-Module (Gesamtleistung 117,8kWp) mit Strom versorgt. Der Überschuss fließt in einen Speicher, der u.a. die Betankung von Elektrofahrzeugen sicherstellt. Solarnova wurde für das Projekt mit dem europäischen Intersolar Award 2015 ausgezeichnet.
solarnova Deutschland GmbH
Dieser Artikel erschien in GEBÄUDEDIGITAL 5 2015 - 28.09.15.Für weitere Artikel besuchen Sie www.gebaeudedigital.de