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IEC 61850 - Eine leise Revolution bahnt sich ihren Siegeszug

Der Ausbau von Energienetzen entwickelt sich sehr dynamisch. Die Einbindung dezentraler Energiequellen (Photovoltaik- und Windkraftanlagen) gewinnt zunehmend an Bedeutung und stellt die Betreiber vor neue Herausforderungen. Die größte davon ist 'Smart Grid'.

Bild: Nexans Deutschland GmbHBild: Nexans Deutschland GmbH
Bild 1 | Die Norm 61850 soll die volle und intelligente Automatisierung des Energienetzes ermöglichen.

Fußnoten

1: Deutscher Begriff für "Intelligentes Stromnetz".

2: Für die Kontrolle und Steuerung von komplexen Systemen in den Stromnetzen, von der Erzeugung bis zur Verteilung, werden seit vielen Jahren intelligente elektronische Geräte verwendet, die über Schnittstellen und Protokolle gemäß den Standards IEC 60870-5-101 oder -104 kommunizieren. Leider setzt dieser Standard eine sehr hohe Herstellerabhängigkeit und hohe Kosten voraus.

3: Dank Ethernet kann IEC 61850 alle Möglichkeiten der modernen Kommunikationsinfrastruktur nutzen, z.B. die Übertragung der Gerätebeschreibung für das Online Engineering und Monitoring sowie globale Vernetzung.

4: gemäß IEC 61850-8-1/-9-1/9-2

5: Simple Network Management Protocol

6: System Configuration Description Language, eine Sprache für das Systemmanagement

7: Manufacturing Message Specification: Die industriellen Ethernet-Switches werden in die ICD (IED Capability Description)-Konfigurationsdatei aufgenommen. Diese Datei beinhaltet neben Konfigurationsparametern Informationen zu Kommunikationssystemen, Schaltanlagenstruktur und ihre Beziehungen. Das Dateiformat von ICD ist so definiert, dass die Systembeschreibung in einer kompatiblen Form zwischen den Konfigurationswerkzeugen und Systemkonfigurationstools verschiedener Hersteller ausgetauscht werden kann. Zum Erstellen der Datei wird SCL verwendet. SCL nutzt die Struktur und die Grammatikregeln von XML (Extensible Markup Language). Die SCL-Datei ist eine Standard-XML-Datei, die unter der Einhaltung von semantischen Regeln von IEC61850 erstellt wird. Die Konfigurationsdatei wird bei dem System-Engineering in die übergreifende Systemeschreibung übernommen. Somit wird die herstellerunabhängige und allgemeine Integration von Netzwerkkomponenten ermöglicht.

8: Die Funktionalität wird durch die Integration vom IEC 61850-Stack und Server Funktion der Switches gewährleistet.

9: Die KEMA-Tests bestätigen die Interoperabilität der Systemfamilie mit allen Netzwerkgeräten, -systemen und Energienetzkomponenten im Smart Grid. Ab 2013 gehört KEMA dem DNV GL.

Abkürzungen:

  • • IEDs- Intelligent Electronic Device
  • • MMS- ISO 9506, Manufacturing Message Specification
  • • SCL- System Configuration description Language
  • • XML- Extensible Markup Language
  • • IEC 61850 Communication networks and systems in substations
  • • IEC 61850-3 Communication networks and systems in substations - Part 3: General requirements
  • • IEC 61850-5 Communication networks and systems in substations - Part 5: Communication requirements for functions and device models
  • • IEC 61850-6 Communication networks and systems for power utility automation - Part 6: Configuration description language for communication in electrical substations related to IEDs
  • • IEC 61850-7 Communication networks and systems in substations - Basic communication structure for substation and feeder equipment
  • • IEC 61850-7-1: Principles and models
  • • IEC 61850-7-2: Abstract communication service interface (ACSI)
  • • IEC 61850-7-3: Common Data Classes
  • • IEC 61850-7-4: Compatible logical node classes and data classes
  • • IEC 61850-8 Communication networks and systems in substations - Specific Communication Service Mapping (SCSM)
  • • IEC 61850-8-1: Mappings to MMS (ISO 9506-1 and ISO 9506-2) and to ISO/IEC 8802-3
  • • IEC 61850-9 Communication networks and systems in substations - Specific Communication Service Mapping (SCSM)
  • • IEC 61850-9-1: Sampled values over serial unidirectional multidrop point to point link
  • • IEC 61850-9-2: Sampled values over ISO/IEC 8802-3

Der Begriff 'Smart Grid' in der Elektrizitätsversorgung beschreibt die kommunikative Vernetzung und Steuerung von Stromerzeugern, Speichern, elektrischen Verbrauchern und Netzbetriebsmitteln in Energieübertragungs- und -verteilungsnetzen. Ziel ist die optimierte Energieversorgung auf Basis eines effizienten und zuverlässigen Systembetriebs. Treibende Kräfte sind ein deutlich größeres Informationsvolumen im Netz und die Notwendigkeit eines wesentlich umfangreicheren Datengerüstes in den Leitebenen der Versorger. Langfristig nimmt die Funktionalität der Netzstation zu, was unmittelbar zu einer Vervielfachung des Kommunikationsaufkommens führt. Die bisherigen Standard-Ortnetzstationen, die über keine dedizierte Kommunikationsanbindung verfügen und bestenfalls mittels einer zwei-Draht-Meldung in eine Station mit Fernwirkanbindung übertragen, werden durch intelligente Ortnetzstationen mit einer modernen Kommunikationsanbindung und einer Vielzahl neuer Funktionen abgelöst. Seit einigen Jahren setzt sich ein neuer offener Kommunikationsstandard durch.

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Bild 2 | Prinzipielle Abbildung der Kommunikationsmodelle

Die Norm IEC61850

Die Norm IEC61850 wurde in Zusammenarbeit mit Anwendern und Herstellern definiert und von der IEC verabschiedet. Ziel ist es, Schutztechnik, Steuerung von Schaltanlagen und Kommunikation auf eine einheitliche Basis zu bringen. IEC61850 verwendet TCP/IP als Basisübertragungsprotokoll und hat sich schon weltweit als Kommunikationsstandard in der Automatisierung und Energiewirtschaft etabliert. Um den vollautomatischen oder ferngesteuerten Betrieb der Anlagen zu ermöglichen, erfordert die IEC61850 robuste Kommunikationslösungen, insbesondere für betriebskritische Anwendungen. Es geht um Höchstverfügbarkeit in extrem rauen Umgebungen und industriell abgehärtete Netzwerkkomponenten. Für die Übertragung der Daten in den IEC61850 genormten Netzen kommen Ethernet-Switches zum Einsatz und sorgen für den Datenaustausch unter Intelligent Electronic Devices (IED).

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Bild 3 | Prinzipielle Darstellung des Gerätemodells gemäß IEC61850

Universelles Datenmodell für die Kommunikation im Smart Grid

Für den Netzbetreiber bedeuten die offenen, standardisierten Schnittstellen weniger Aufwand bei der Kopplung von Systemen verschiedener Hersteller und dadurch Investitionssicherung bei Ersatzbeschaffung. Dadurch reduzieren sich auch die Realisierungszeiten von Projekten sowie Investitions- und Betriebskosten. Die Herstellerabhängigkeit entfällt. Es besteht allerdings ein weiterer allgemeiner Handlungs- und Entwicklungsbedarf für die Etablierung von Komponenten mit allgemeingültigen und standardkonformen Datenmodellen. Leider werden die Netzwerkkomponenten heute noch als eigener separater Teil der Anlagen, mit eigenen Servern und eigenem Management betrachtet. Deren Intelligenz und Monitoring-Funktionen werden unzureichend genutzt, z.B. mittels SNMP oder OPC Integration. Die Anbindung erfolgt über eigene, zum Teil proprietäre Systeme. Im Jahre 2012 hat Nexans entschieden, neuartige Systeme auf Basis der SCL-Konfigurationsschnittstelle zu entwickeln. Diese Schnittstelle erlaubt eine nahtlose Modellierung und Betrieb der Stationsleittechnik. Darüber hinaus sollte ein allgemeingültiges und flexibles Kommunikationsdatenmodell mit dezentralisierten Strukturen und Prozessen für die Energieversorgungsinfrastruktur etabliert werden. Das gesamte Kommunikations-Engineering nach IEC61850 ist unabhängig von den unteren Protokollschichten. SCL benutzt für die Systembeschreibung nur das Datenmodell, das in IEC61850-7 definiert ist. Zur Kommunikation zwischen den Geräten werden die abstrakten Datenmodelle und die Kommunikationsdienste von IEC61850-7 mittels konkreter Protokolle so definiert, dass Informationen physikalisch ausgetauscht werden können. Die Datenmodelle werden hierarchisch, baumartig, definiert und aufgebaut. Die Modelle beinhalten "Logische Knoten", "Daten Objekte" und "Kontrollblöcke". Die Kommunikationsdienste der Teile IEC61850-7-2/3/4 werden entsprechend zum größten Teil auf den Manufacturing Message Specification-Diensten abgebildet. Bei der Übertragung des Modellierungsansatzes wird der Switch als ein physisches Gerät in einem gemeinsamen logischen Knoten mit dazu gehörigen Attributen beschrieben. Dieses Modell ermöglicht die direkte Kommunikation von allen vernetzen Geräten im Stromnetz ohne Datenverluste. Es ergibt sich eine universelle Schnittstelle für die Parametrierung und Auslesen von allen Systemeinstellungen und -funktionen. Es werden auch wertvolle Informationen für das Management des Power Grids geliefert, ggf. über den aktuellen Stand des Netzes, seiner Komponenten, einzelner IEDs sowie Sicherheits- und Alarmmeldungen. Das Kommunikationsmodell wurde im Rahmen des Forschungsprojekts 'Smart Area Aachen' erfolgreich getestet. Die Implementierung von IEC61850 Stack in den Nexans Switches hat alle Kema-Zertifizierungstests bestanden.

Fazit

Im Wandel zu Smart Grid werden die Auslegung und der Betrieb von Kommunikationsinfrastruktur eine zentrale Rolle für die effiziente Netzbetriebsführung spielen. Die nahtlose Integration von unterschiedlichen Systemen unter dem Schirm eines weltweit gültigen Standards wird sich in die Leittechniklandschaft von Versorgungsunternehmen einfügen und eine extrem flexible Nutzung zulassen. Neue Hardware- und Software-Komponenten werden Modellierung, Monitoring und Diagnose schneller und einfacher machen. Die Offenheit und Flexibilität der IEC61850 wird die volle und intelligente Automatisierung des Energienetzes bereits in der nahen Zukunft ermöglichen.

Nexans Deutschland GmbH

Dieser Artikel erschien in SCHALTSCHRANKBAU Sonderheft 2 2016 - 23.09.16.
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