Vom Sensor bis ins ERP
Der Weg der Daten im Industrial IoT
Das Industrial IoT ermöglicht Unternehmen aller Branchen, mehr Informationen aus dem Produktionsprozess zu ermitteln und intelligent zu verarbeiten. Doch der Weg vom Sensor bis ins ERP-System ist weit und hat einige Zwischenstationen.
Mithilfe moderner Sensorik und der Vernetzung durch das Internet der Dinge erhalten Unternehmen die Möglichkeit, bislang häufig ungenutzte Daten der Produktionssteuerung auch in ihren ERP-Systemen für die Planung einzusetzen. Ein Beispiel: Bei einem Unternehmen aus der Lebensmittelproduktion müssen die Zutaten für Convenience-Produkte mit Vorsicht gelagert werden, denn sie sind empfindlich gegenüber Trockenheit und Feuchtigkeit zugleich. Dank moderner Sensorik ist es recht einfach, in Echtzeit Daten über die Feuchtigkeit in den Lagerbehältern zu erhalten. Diese können in einem ERP-System dafür sorgen, dass bei Störungen problematische Rohstoffe nachbestellt und Wartungsprozesse automatisiert angestoßen werden. In Verbindung mit den Systemen der Fertigungssteuerung kann daraufhin auch die Produktion optimiert werden. Auch andere Branchen profitieren von moderner Sensorik. So hat eine Papierfabrik in Brandenburg am Gehäuse ihrer rund einhundert Meter langen Papiermaschine etwa 600 Sensoren zur Messung von Vibration und Temperatur installiert. Die ermittelten Werte sollen in erster Linie einen Frühindikator für Störungen darstellen und helfen, Ausfälle durch Überlastung zu vermeiden. Zusammen mit anderen Daten aus der Produktionssteuerung können diese Informationen im ERP genutzt werden, um Wartungsprozesse in kritischen Situationen automatisch zu initiieren.
Steuerungen nachträglich vernetzen
Damit ein ERP-System solche Daten auch tatsächlich erhält, muss der Datenfluss neu organisiert werden. Produktionsanlagen und ihre Steuerungssysteme setzen die intern ermittelten Messwerte im Regelfall nur auf der Steuerungsebene ein. Sie werden nicht historisch gespeichert und über definierte Schnittstellen nach außen geleitet, sodass sie einem ERP-System häufig nicht zur Verfügung stehen. Auch wenn neuere Systeme oftmals bereits vernetzt sind und alle fertigungsrelevanten Daten verarbeiten, sind diese selten in ERP-Anwendungen integriert. Doch Technologien für das Industrial IoT bieten eine Lösung: So lassen sich Industriesteuerungen durch kleine IoT-Module ergänzen, die Messwerte erfassen, digitalisieren, verschlüsseln und über Funk an ein Gateway übertragen, das via Internet mit einer zentralen Cloudplattform verbunden ist. Für die Verbindung der Sensoren mit dem Gateway wird oft Kurzstreckenfunk im 868 Megahertz-Frequenzband eingesetzt, da der Zugriff auf lokale Kommunikationsinfrastruktur im industriellen Bereich häufig tabu ist. Diese Technologie hat sich als sehr geeignet für die Übertragung von Sensordaten, also IoT-Verbindungen, erwiesen und kollidiert nicht mit anderen Funkverbindungen. Da in der Praxis nicht nur moderne, sondern auch seit Jahren bewährte Maschinen in digitale Prozesse einzubinden sind, kommt dem Thema der Nachrüstung - Retrofit genannt - eine besondere Bedeutung zu. Retrofit beschreibt die Möglichkeit, IoT-Funktionen in einer bestehenden Anlage ohne integrierte Sensorik nachzurüsten. Dafür werden die Sensoren nachträglich angebracht und mit eigenen IoT-Modulen verbunden. Solche Sensorboxen können eine Vielzahl an Daten erheben, etwa Temperatur, Feuchtigkeit, Helligkeit, Vibration, Lautstärke (Schall), Bewegung oder Beschleunigung. Die Möglichkeiten sind zahlreich. Auch können nicht nur Sensorik-Werte erhoben, sondern es können etwa Kontakte und Relais aktiv angesteuert werden, die nicht von vornherein über entsprechende Schnittstellen verfügen (Aktorik). Zudem ist es technisch möglich, mittels Modulen mit integrierter Digitalkamera die Anzeigen von analogen Energiezählern zu digitalisieren und für die nachfolgende Verarbeitung zu speichern.
Vom Sensor zum Gateway
Alle für die Produktion interessanten Daten werden also entweder direkt an der Steuerelektronik ausgeleitet oder über zusätzliche Sensoren ermittelt. In der Regel sind aber weder IoT-Module noch Sensorboxen direkt mit der IoT-Plattform vernetzt. Stattdessen wird die Verbindung über IoT-Gateways hergestellt, die zwischen Sensoren und Geräten auf der einen und der IoT-Plattform auf der anderen Seite sitzen. Diese Gateways bündeln die Datenströme der Sensoren für die zentrale Plattform. Dadurch wird die verfügbare Bandbreite besser ausgenutzt. Lediglich in Einzelfällen empfiehlt sich eine Direktverbindung einzelner IoT-Sensorboxen, etwa wenn einzelne, weiter abgelegene Messpunkte angeschlossen werden müssen. Nur das IoT-Gateway baut tatsächlich eine Verbindung zur zentralen Plattform auf. Das erhöht auch die Sicherheit, denn so ist die Produktionsanlage über das Gateway vor Zugriffen von außen geschützt. Den wichtigsten Schutz bieten verschlüsselte Verbindungen vom Sensor zum Gateway und dann zur zentralen IoT-Plattform. Dies ist wesentlich, damit die Sensorwerte auch wirklich unverändert und verlässlich sind und in der Gegenrichtung auch nur verlässliche Verbindungen Steuerungsbefehle senden können. Hierzu benötigt es besondere Maßnahmen der IT-Security, insbesondere eine sichere Speicherung der notwendigen Schlüssel. Gateways sind aber nicht auf die Übertragungsfunktion zwischen Maschine, Sensor und zentraler IoT-Plattform beschränkt. Zunehmend wird auch Rechenkapazität im Gateway angesiedelt, also an den 'Rand' des Netzwerks, in der Fachsprache 'Edge Computing' genannt. In vielen Fällen ist es nämlich gar nicht sinnvoll, alle Messwerte in die zentrale Plattform zu übertragen. Ein Beispiel: Temperatursensoren ermitteln die Daten teils im Sekundentakt. Dadurch entstehen in kurzer Zeit enorme Datenmengen, die erfasst und gespeichert werden müssen. Diese gesamte Datenbasis ist häufig gar nicht notwendig, da im Regelfall lediglich Temperaturveränderungen von Interesse sind. Es ist also sinnvoll, einen Messwert lediglich dann zu übertragen, wenn er vom vorhergehenden abweicht. In solchen Situationen sollen gegebenenfalls auch direkte Alarme ausgelöst werden oder Prozesse der vorausschauenden Wartung initiiert werden. Eine solche Verarbeitung und Bewertung der Daten ist ein typischer Fall für Gateways mit eigener Rechenkapazität. Weitere Möglichkeiten sind etwa die Komprimierung der Daten, sodass in der ERP-Anwendung lediglich aggregierte Daten gespeichert werden - etwa eine grob aufgelöste Zeitreihe mit Tages- oder Wochenvolumina. Für die Übertragung in die zentrale IoT-Plattform können alle gängigen Technologien eingesetzt werden, beispielsweise ein bestehendes WLAN oder eine vorhandene Anbindung an das Internet per Glasfaser, Kupferkabel oder Mobilfunk. Letzteres rüsten Telekommunikationsunternehmen im Moment auf 5G-Technologie auf. Diese folgt auf das aktuelle 4G-LTE-Netz und ist stärker an das Internet der Dinge angepasst: Sie bietet eine hohe Datenübertragungsrate von zehn Gigabit/Sekunde oder mehr, kürzere Latenzzeiten und einen geringeren Stromverbrauch. Für geringe Datenmengen mit unkritischen Übertragungsgeschwindigkeiten, also für Sensorikdaten, entstehen im Moment unterschiedliche LPWAN-Technologien (Low Power Wide Area Network) als Alternative zum herkömmlichen Mobilfunk. Verschiedene Anbieter bauen die Kommunikationsverfahren LoRaWAN, NarrowBand-IoT (NB-IoT) oder Sigfox zurzeit als öffentliche Netze auf oder bieten sie teils bereits an. Diese Technologien werden in Zukunft vermutlich parallel betrieben, da die einzelnen Standards unterschiedliche Vorteile haben. Ein Beispiel: NB-IoT ermöglicht stabile Verbindungen auch dann, wenn starkes Mauerwerk anderen Funktechnologien Schwierigkeiten bereitet.
Die Plattform für das IIoT
Am Ende dieser langen Kette aus Geräten und Verbindungen steht eine IoT-Plattform. Damit die Daten endgültig ihren Weg ins ERP-System finden, muss die Plattform sie zunächst in das gewünschte Datenformat konvertieren. Die IoT-Plattform arbeitet hier als eine Art Drehscheibe für Daten, die eine Vermittlerposition (Databroker) zwischen IoT-Hardware und den weiterverarbeitenden Systemen einnimmt. Um eine größtmögliche Unabhängigkeit von spezifischen Herstellerformaten zu erreichen, sind IoT-Plattformen im Idealfall über eine offene dokumentierte Schnittstelle erreichbar. Die Nutzer der Plattform können diese programmierbare Schnittstelle nutzen, um die vorhandenen Daten in ihre eigenen Systeme zu integrieren - ERP-Anwendungen, aber auch andere Business Software. Der Vorteil: Das ERP-System muss nicht selbst in einer Cloud verortet sein, sondern kann auch auf eigenen Rechnern betrieben werden - bisherige Lösungen können also problemlos weiter genutzt werden.
Das Industrial IoT ermöglicht Unternehmen aller Branchen, mehr Informationen aus dem Produktionsprozess zu ermitteln und intelligent zu verarbeiten. Doch der Weg vom Sensor bis ins ERP-System ist weit und hat einige Zwischenstationen.
Mithilfe moderner Sensorik und der Vernetzung durch das Internet der Dinge erhalten Unternehmen die Möglichkeit, bislang häufig ungenutzte Daten der Produktionssteuerung auch in ihren ERP-Systemen für die Planung einzusetzen. Ein Beispiel: Bei einem Unternehmen aus der Lebensmittelproduktion müssen die Zutaten für Convenience-Produkte mit Vorsicht gelagert werden, denn sie sind empfindlich gegenüber Trockenheit und Feuchtigkeit zugleich. Dank moderner Sensorik ist es recht einfach, in Echtzeit Daten über die Feuchtigkeit in den Lagerbehältern zu erhalten. Diese können in einem ERP-System dafür sorgen, dass bei Störungen problematische Rohstoffe nachbestellt und Wartungsprozesse automatisiert angestoßen werden. In Verbindung mit den Systemen der Fertigungssteuerung kann daraufhin auch die Produktion optimiert werden. Auch andere Branchen profitieren von moderner Sensorik. So hat eine Papierfabrik in Brandenburg am Gehäuse ihrer rund einhundert Meter langen Papiermaschine etwa 600 Sensoren zur Messung von Vibration und Temperatur installiert. Die ermittelten Werte sollen in erster Linie einen Frühindikator für Störungen darstellen und helfen, Ausfälle durch Überlastung zu vermeiden. Zusammen mit anderen Daten aus der Produktionssteuerung können diese Informationen im ERP genutzt werden, um Wartungsprozesse in kritischen Situationen automatisch zu initiieren.
Q-loud GmbH
Dieser Artikel erschien in ERP CRM Wissen Kompakt 2017 - 14.12.17.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com