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Interview mit CEO Blake Moret, Rockwell Automation

"Das Wachstum der Industrie wird von Vereinfachungen bestimmt"

Viele Trends beschäftigen derzeit die Entwicklungsabteilungen der Maschinenbauer und der Endanwender. Es gilt bei hohem internationalen Wettbewerbsdruck ein flexibles Produkt in möglichst kleinen Stückzahlen wirtschaftlich zu produzieren. Wir sprachen mit Rockwell Automations CEO Blake Moret über die Trendthemen der Automatisierung und wie sie helfen können, die oben beschriebenen Anforderungen zu meistern.

Bild: Rockwell AutomationBild: Rockwell Automation
Blake Moret ist seit Juli 2016 Präsident und Chief Executive Officer von Rockwell Automation. Seit dem 1. Januar 2018 ist er zudem auch Aufsichtsratsvorsitzender.

Worin liegen derzeit die Herausforderungen für Endanwender und OEMs und wie können Sie diesen helfen, diese erfolgreich zu meistern?

Blake Moret: Alles, was wir für unsere Kunden tun, lässt sich in vier Bereiche einteilen: Der erste ist eine schnellere Markteinführung. Zweitens eine niedrige Total Cost of Ownership. Drittens eine höhere Auslastung der Anlagen und viertens ein Enterprise Risk Management. Am häufigsten geht es dabei aus Sicht des Endanwenders um die Reduzierung ungeplanter Ausfallzeiten. Das ist meiner Meinung nach immer noch die Schlüsselfunktion, die die Automatisierungstechnik und Informationstechnologie adressieren müssen, denn jeder weiß, was solche Stillstandszeiten kosten. Diese Stillstandszeiten beeinflussen direkt den Return on Investment. Deshalb sind Anwendungen wie die Fernüberwachung so interessant. Wenn man dann vorausschauende Analysen hinzufügt, wird es noch interessanter, weil man nicht darauf warten muss, bis ein Fehler passiert ist. Sie können ihn vorhersagen und Gegenmaßnahmen während geplanter Stillstände ergreifen. Für einen OEM gibt es mehrere Themen, aber eines der wichtigsten ist die Flexibilität. Wenns es beispielsweise um Verpackungsmaschinen geht, dann sprechen wir über die Fähigkeit eine hochflexible Automatisierung für eine hochflexible - möglicherweise modularen - Maschine zu realisieren, um die Rüstzeiten zu reduzieren, mehr Leistung zu erzielen, mehr Output zu generieren, mehrere unterschiedliche Produkte zu verarbeiten und die Leistung der Maschinen sogar nach Auslieferung noch optimieren zu können. Dieser Trend ist übrigens ziemlich neu. Vor Jahren hat man ein Gerät oder eine Maschine ausgeliefert und niemand hat erwartet, dass sie sich im Laufe ihrer Lebenszeit tatsächlich in ihrer Produktivität verbessert. Heute sind moderne Maschinen so konstruiert, dass sie nachgerüstet werden können und tatsächlich mehr Leistung bringen, selbst nachdem sie ausgeliefert wurden. Ich denke, das ist ein wichtiger Paradigmenwechsel, bei dem wir unsere OEMs tatkräftig unterstützen.

Sie haben bereits das Zusammenspiel von IT und Automatisierung erwähnt. Dabei stößt man als Betreiber unweigerlich auf Security-Probleme.

Moret: Das stimmt. Klar ist aber auch: Das Wachstum der Industrie wird von den Verbesserungen bestimmt, die wir mit den Endkunden in den bereits genannten Bereichen Time-To-Market, Total Cost of Ownership, Anlagenauslastung und Risikomanagement erreichen. Und hier kommen Innovationsimpulse vor allen Dingen aus der Integration von Steuerungs- und Informationstechnologien - bei uns heißt das Connected Enterprise und Integrated Architecture. Um Wachstum zu generieren, ist also eine sichere Integration, die die Anwender überzeugt, unabdingbar.

Bild: Rockwell AutomationBild: Rockwell Automation
Auf der Automation Fair stellt Rockwell Automation jedes Jahr neue Produkte vor.

Wie können Anwender diese Security-Aufgabe lösen?

Moret: Ein großer Teil der Aufgabe besteht in der Entwicklung der Mitarbeiter. Viele Risiken in Form von Cyber-Angriffen sind technisch zu beherrschen, es muss aber auch bei den Menschen eine entsprechende Awareness dafür geben. Es geht also um eine Kombination von Technologie und Mensch. Ich denke, das sind einerseits die Herausforderungen, andererseits aber auch die Möglichkeiten, um die Industrie schneller wachsen zu lassen.

Welche Rolle spielen bei der Anwendungsentwicklung vorgefertigte Applikationen bzw. Funktionen im Studio 5000 z.B. auch um dem aktuellen Fachkräftemangel besser begegnen zu können?

Moret: Studio 5000 ist unsere Softwareumgebung für die Umsetzung von Automatisierungsprojekten. Es ist ein umfangreiches, interdisziplinäres Engineeringtool und wird von diskreten über Batch- bis hin zu Prozessanwendungen verwendet. Außerdem ist es ein offenes System, sodass es mit anderen Softwareanwendungen zusammenarbeitet, die möglicherweise nicht von Rockwell Automation kommen, beispielsweise CAD-Systemen usw. Im Laufe der vielen Jahre Entwicklungsarbeit, die in die Software geflossen sind, wurde ein enormer Funktionsumfang aufgebaut und es wurde in unzähligen unterschiedlichen Anwendungen eingesetzt. Dabei ist ein großes Maß an Wissen zusammengetragen worden. Die Idee der vorgefertigten Anwendungen in Bibliotheken ist sowohl für diskrete Anwendungen als auch für Prozessanwendungen sehr wichtig. Anwender haben von solchen vorgefertigten und erprobten Bausteinen viele Vorteile: Sie beschleunigen die Time-To-Market erheblich und sorgen für sichere Resultate. Wir werden diesen Bereich auch in Zukunft weiter ausbauen und um weitere Funktionen ergänzen. Die (Wieder-)Verwendung von bereits geschriebenen Funktionen ist eine großartige Möglichkeit, den Entwicklungsprozess erheblich zu beschleunigen. Auch das Thema Vereinfachung spielt eine zentrale Rolle. Sie ist sehr wichtig in unserem Ansatz und bei allen Produkten und kommerziellen Angeboten. Die Welt der Automatisierung im Allgemeinen ist viel zu komplex. Diese Komplexität hat viel zu viele Projekte hervorgebracht, die nicht den erwarteten ROI liefern. Die zunehmende Vereinfachung der einzelnen Produkte, der Software und die Art der Vermarktung und des Vertriebes - also beispielsweise mehr auf Abonnements basierende Ansätze, die den Zugang zur Technologie mit den Diensten verbinden - all das sind wichtige Bausteine der Vereinfachung und der Verbesserung für Endanwender und OEMs.

Analytics wird immer mehr zu einer wichtigen Funktion auch in der Automatisierung. Würden Sie mir zustimmen?

Moret: Ja, absolut. Ich möchte dazu zwei Beispiele für fortgeschrittene Analytik in unserem Portfolio nennen. Unsere Pavilion-MPC-Software (Anm.: MPC steht für Model Predictive Control), diese modellgestützte prädiktive Steuerungssoftware zur Optimierung kontinuierlicher Prozesse, umfasst umfangreiches Prozess-Know-how aus vielen Branchen. Sie sorgt bei unseren Kunden für eine schnelle Kapitalrendite und Werthaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage. Das ist ein starkes Beispiel für fortgeschrittene Analytik auf einer sehr grundlegenden Ebene. Ein weiteres Beispiel sind unsere neuen Frequenzumrichter, die über Analytik bei der Temperatur der Leistungshalbleiter verfügen, um Fehler vorherzusagen und Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Das ist ein Beispiel, das ich als wichtigen Aspekt der kommenden Entwicklungen bezeichnen würde. Frequenzumrichter liefern wir schon heute hunderttausendfach aus.

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Das modulare und skalierbare Linearmotorsystem iTRAK ermöglicht die unabhängige Steuerung mehrerer Mover auf geraden oder kurvenförmigen Bahnen.

Mit der Übernahme von Jacobs Automation und MagneMotion haben Sie sich dem Thema der modernen Bewegungsführung in Maschinen gewidmet. Man könnte vermuten, dass das für Sie der Einstieg in die Welt der Robotik war?

Moret: Zunächsteinmal sind wir sehr glücklich mit den Übernahmen, die wir sowohl mit Jacobs Automation als auch MagneMotion getätigt haben. Wir sind der Meinung, dass der Markt heute zwar noch klein ist, dass er aber solche Effizienzmöglichkeiten bei Verpackungsmaschinen oder beim Materialhandling bietet, dass er wachsen wird und dass er wirklich ein spannender Bereich ist, in den wir investieren, um unser Angebot kontinuierlich zu erweitern. Durch die Akquisitionen von Jacobs Automation und MagneMotion in Kombination mit strategischen Partnerschaften wie wir sie mit Robotikunternehmen wie Fanuc haben, sind wir gut positioniert für technologische Veränderungen. Zudem beobachten wir, dass die Grenzen in Bezug auf die Technologie, mit der Roboter gesteuert werden, etwas verschwimmen, denn es gibt bereits heute eine ganze Reihe von Anwendungen, bei denen unsere Bewegungssteuerungen und unsere SPSen einen Roboter steuern bzw. Robotikaufgaben übernehmen.

Immer häufiger ist vom digitalen Zwilling einer Maschine die Rede. Wie können Sie ihren Kunden helfen, diesen digitalen Zwilling zu entwickeln?

Moret: Durch die Bereitstellung einfacher Schnittstellen zu Software von Drittherstellern, ob es sich nun um Simulation oder CAD handelt. Wir bieten unseren Anwendern eine Vielzahl von Schnittstellen an, die es möglich machen, diese Anwendungen einfach in Studio 5000 zu integrieren. Darüber hinaus bieten wir auch technische Unterstützung bei der Entwicklung an, um die grundlegenden Teile, die offensichtlich nicht Teil ihres Know-hows sind, umzusetzen.

Welche Bedeutung spielen Technologien wie Augmented Reallity und Virtual Reallity in der Industrie?

Moret: In unseren Mixed-Reality-Anwendungen bringen wir die Elemente des unbeeinflussten Sehens zusammen mit der virtuellen Realität, und zwar im gleichen Sichtfeld des Anwenders. Die Idee, einen Außendiensttechniker zu haben, der sofort in der Lage ist, das, was er oder sie sieht, mit einem Experten aus der Ferne besprechen zu können und sich Ratschläge geben zu lassen, ist ein gutes und anwendungsnahes Beispiel dafür, wo diese Technologie helfen kann, viel Aufwand und Kosten zu vermeiden. Wir arbeiten mit der HoloLens von Microsoft gerade daran, Demonstratoren zu entwickeln, die solche praxisnahen Beispiele zeigen. Derzeit ist es kein bedeutender Bereich, aber ich denke, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren ein Umdenken stattfinden wird und wir sinnvolle Anwendungen und entsprechende Investitionen der Anwender in diese Technologie sehen werden.

Für die HMI-Sektion oder für die Diagnostik oder für CAD-Teile, wofür verwenden Sie Mixed Reality?

Moret: Die Fähigkeit, eine Maschine betrachten zu können und sofort den mechanischen Betrieb der Maschine sowie kritische Parameter anzeigen zu lassen, das sind tolle neue Möglichkeiten. In der Lage zu sein, virtuell in eine Maschine hineinzuschauen, Produktionsdaten zu betrachten, die Lebensdauer des Antriebes einer Maschine zu überwachen, sicherzustellen, dass keine Vibrationen auftreten, die auf einen Lagerausfall hindeuten - all diese Dinge sind heute schon möglich - mit Augmented oder Mixed Reality werden sie komfortabel und selbstverständlich. (kbn)

Rockwell Automation GmbH

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 3 2018 - 01.03.18.
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