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Interview mit Heiko Füller, SEW-Eurodrive

"Ein sehr umfangreiches Portfolio"

Mit Movi-C hat SEW-Eurodrive im vergangenen Jahr die dritte Generation seiner Automatisierungstechnik vorgestellt - in Form eines umfangreichen Baukastens, der sukzessive erweitert werden soll. Im Gespräch mit dem SPS-MAGAZIN erklärt Heiko Füller, als Leiter des Marktmanagements verantwortlich für das Thema Automatisierung, die bisherigen Bestandteile von Movi-C sowie den Stellenwert der dazugehörigen Tools und blickt voraus auf das gezeigte Themen- und Ausstellungsspektrum der SPS IPC Drives 2018.

Bild: SEW-EURODRIVE GmbH & Co KGBild: SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

Herr Füller, 2016 haben Sie Movi-C als neue Automatisierungsgeneration bei SEW-Eurodrive vorgestellt.

Heiko Füller: Richtig, und diese haben wir im Vorfeld der Markteinführung bereits ausgiebig in ausgesuchten Kundenprojekten getestet. So konnten wir auch schon vorab Praxis- und Applikationserfahrungen für Movi -C sammeln. In Summe setzt sich der Baukasten nicht aus einzelnen Produkten zusammen, sondern umfasst das ganze SEW-Leistungsspektrum. Alles passt zusammen: egal, ob zentrale Schaltschranktechnik oder dezentrale Bausteine für den Einsatz im Feld. Auch die dazugehörige Engineering Software Movisuite ist komplett neu entwickelt. Mit einer speziell abgestimmten Oberfläche und Bedienstruktur - auch für den Einsatz auf Tablets - lassen sich Anwendungen intuitiv und schnell in Betrieb nehmen. Der Baukasten ist also vollständig durchgängig und so flexibel ausgelegt, dass er in vielen Applikationen oder Branchen zum Einsatz kommen kann.

Das klingt nach einem großen Vorhaben. Ist der Baukasten denn schon komplett verfügbar?

Füller: Nein. Wir führen Movi-C in mehreren Stufen ein. Gestartet sind wir mit einem Mehrachssystem und dem damit verbundenen Fokus auf die Maschinenautomatisierung. Dieses Marktsegment ist für SEW nicht neu: Seit über zehn Jahren sind wir hier verstärkt aktiv und mittlerweile gibt es einen eigenen Geschäftsbereich im Unternehmen. Die Startausrichtung von Movi-C bedeutet aber nicht, dass wir uns ausschließlich diesem Marktsegment verschreiben - auch wenn der Baukasten dessen Bedürfnisse und Anforderungen sehr passend anspricht und viele Vorteile ausspielen kann.

Welche sind das konkret?:

Füller: Da gäbe es einige zu nennen. Gerade mit seiner Durchgängigkeit und seinem breiten Spektrum kann der Baukasten sehr gut punkten. Zudem umfasst das Movi-C-Angebot neben den Komponenten wie Doppelachsmodule, Einkabeltechnik oder einem industriellen Leistungs- und Energiemanagement und der Entwicklungsumgebung auch verschiedene Software-Applikationsmodule, die sogenannten Movikits. Deren Spektrum reicht von Antriebsfunktionen und Kinematiken bis hin zum Regalbediengerät oder Lösungen zur Schwingungsunterdrückung. Anwender müssen dann nur noch die jeweiligen Rahmenparameter angeben, statt viel Zeit in die Programmierung zu investieren. Eine weitere Besonderheit ist z.B. der genannte Multi Access Controller, mit dem sich etwa die Laufkatze eines Krans nur mehr als eine virtuelle Achse kapseln lässt. Das ist einfacher und deutlich dynamischer als klassische Master/Slave-Architekturen.

Sie haben das Softwareangebot an die Hardwarebestandteile des Baukastens angepasst?

Füller: Genau. Es reicht nicht mehr, dem Kunden nur effiziente Antriebstechnik zu verkaufen. Er benötigt auch passende Software, die die Komplexität reduziert und die Inbetriebnahme vereinfacht. Unsere Kunden haben nicht mehr die Zeit, sich ausgiebig in Systeme einzuarbeiten, die nicht zu ihrer Kernkompetenz gehören. Hier wollen wir dem Anwender möglichst viel abnehmen und haben unser Angebot nach dem Plug&Work-Ansatz ausgerichtet. In diese Richtung zielen wir z.B. auch mit unserer Einkabeltechnik für die Anbindung von Motoren. Wir bieten unseren Kunden nicht nur ein Hybridkabel, sondern hinterlegen unter dem Namen Movilink DDI eine komplette digitale Motor/Umrichter-Schnittstelle. Es unterstützt sämtliche SEW-Motoren - auch solche ohne integrierten Geber - und gibt alle Informationen in Bezug auf die Elektronik, Getriebe und Übersetzung oder verbaute Sensorik nach oben an den Umrichter bzw. auf Wunsch an die Cloud weiter.

Wie viel Unterscheidungspotenzial als Anbieter liegt denn angesichts diesem Spektrum an Softwarefunktionalität noch in der eigentlichen Hardware?

Füller: Es wird bei der Hardware immer schwieriger, sich wirklich abzuheben. Natürlich gibt es auch noch Unterschiede bei den Komponenten, aber der Software kommt heute die weitaus größerer Bedeutung zu. Vorteile, wie sie der Anwender durch unsere Movikits erhält, sind rein auf Hardwareseite nicht zu liefern. Das ist einfach der zunehmenden Digitalisierung geschuldet. Sie prägt auch das komplette Umfeld der Lösung: So kann der Anwender z.B. mit einer App und dem QR-Code auf einem SEW-Getriebemotor Montageanleitungen aufrufen, Fehlermeldungen prüfen oder Ersatzteile bestellen. Selbst Auswertungen zur Laufzeit des jeweiligen Motors und Datenanalysen wird der Kunde über die App bei uns abrufen können.

Können Sie Kunden bzw. Endanwender denn überhaupt davon überzeugen, Produktionsdaten bei Ihnen zu speichern?

Füller: Aktuell sind wir dabei, dieses Angebot breiter auszurollen, und haben auch schon erste Pilotanwender gefunden. Generell muss man für das Vertrauen des Anwenders sicherlich zwei Punkte beachten: Zum einen geht es um die Art der Daten. Beim Antrieb eines Förderbands sind meist weniger produktionskritische Rückschlüsse möglich, als bei einer Maschinenachse. Zum anderen geht es um den Ort der gespeicherten Daten. Deswegen mieten wir für unser Angebot keine Standardserver irgendwo auf der Welt, sondern betreiben eigene Rechenzentren. Dadurch können wir einen Missbrauch der dort gespeicherten Daten ausschließen. Wir bemerken bei vielen produzierenden Unternehmen in diesen Fragen momentan ein Umdenken. Der Kunde hat aber immer die Wahl, ob er die Daten überhaupt teilen möchte oder ob er sie lieber zentral bei sich verwaltet.

Bild: SEW-Eurodrive GmbH & Co KGBild: SEW-Eurodrive GmbH & Co KG
Mit Movi-C wurde 2016 ein Automatisierungsbaukasten vorgestellt, den der Anbieter kontinuierlich erweitern will.

Dieses entwickelt sich aber doch recht zögerlich, oder?

Füller: Wenn man ehrlich ist: Die Digitalisierung ist weder in der Gesellschaft, noch in der Industrie wirklich neu. Entsprechende Trends gibt es seit Jahrzehnten. Neu ist jedoch die Vernetzung und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten. Denken Sie nur an die Entwicklung bei Smartphones. Für die Industrie ergeben sich dadurch neue Potenziale für Kosteneinsparungen, Produktivitätssteigerungen oder ganz neue Geschäftsmodelle mit dem Erfassen und der Analyse von Produktionsdaten. Digitalisierung darf aber keine Worthülse bleiben. Deswegen hinterfragen wir immer den konkreten Nutzen für den Kunden und können in unseren eigenen Fabriken - z.B. in der neuen Elektronikfertigung in Bruchsal oder der Antriebsmontage in Graben-Neudorf - entsprechende Ansätze ausgiebig auf Praxistauglichkeit prüfen.

Zukünftig sollen ja einzelne Produkte nicht nur verkauft, sondern möglichst entlang der kompletten Wertschöpfungskette in Engineering-Unterstützung und Service eingebettet werden. Welches Gewicht hat denn das Beratungs- und Dienstleistungsangebot in Ihrem Hause?

Füller: Unter dem Namen Life-Cycle-Services können wir dem Kunden heute schon ein komplettes Servicepaket anbieten. Es beginnt bei Beratung, Entwicklung und Auslegung, geht über die Installation und Inbetriebnahme und reicht bis zum Aftersales, wo wir nicht nur Reparatur und Wartung übernehmen können, sondern auf Wunsch auch das Variantenmanagement sowie Retrofit-Konzepte unterstützen. Wie auf Produktseite, bietet SEW-Eurodrive auch bei den begleitenden Services von einzelnen Komponenten bis zur kompletten Lösung alles an - ein sehr umfangreiches Portfolio. So können wir für Kunden im Vorfeld auch vollständige Produktionslinien oder Werke simulieren oder deren Planung übernehmen.

Jetzt sind aber nicht all Ihre Kunden Early Adopter, und viele wollen bestimmt auch in Zeiten von Movi-C noch auf absehbare Zeit die vorherige Technikgeneration nutzen. Wie sind Sie in Punkto Liefer- und Langzeitverfügbarkeit aufgestellt?

Füller: Das ist ein Spagat, den wir bewältigen müssen. Auf der einen Seite werden regelmäßig Verbesserungen und Innovationen erwartet. Auf der anderen Seite laufen Maschinen und Anlagen mit SEW-Komponenten 20 Jahre und mehr und werden zudem lange von unseren Kunden verkauft. Also haben wir Movi-C parallel zu unseren bestehenden Baureihen eingeführt. Nach aktuellem Stand gibt es auch noch keine Planung für eine Produktabsetzung - das heißt mittelfristig werden beide Baureihen verfügbar sein.

Gibt es wirkungsvolle Methoden, um die Kunden schneller zum Umstieg auf die neue Automatisierungsgeneration zu animieren?

Füller: Wissen Sie, es kommt immer auf den Kundentyp und dessen Philosophie an: Die einen Kunden melden sich proaktiv bei uns und wollen eine neue Komponente oder Lösung einsetzen. Andere verkaufen ihre bestehenden Maschinen hingegen möglichst lange unverändert. Wir setzen stark darauf, beide Wege mit dem Kunden gehen zu können und ihn langfristig über seinen eigenen Zyklus hinweg zu begleiten. Wird dann eine neue Maschinengeneration geplant, sind wir natürlich mit der passenden Lösung zur Stelle.

Welche Anwendung lassen sich denn mit dem Movi-C-Portfolio heute bereits umsetzen?

Füller: Begonnen haben wir mit dem Mehrachssystem, das auf den Maschinen- und Anlagenbau abzielt. Hier sehen wir ein wichtiges Wachstumsfeld, das wir ausbauen wollen. Aber auch alle klassischen Anwendungen - vom einfachen Förderband über Rührwerke bis hin zu Handling-Applikationen und Robotik - kann SEW-Eurodrive aus dem Movi-C-Baukasten bedienen. Entsprechend stellen wir zur diesjährigen SPS IPC Drives die nächsten Portfolioerweiterungen vor. So erweitert sich das Movi-C-Portfolio beispielsweise auch um dezentrale Technik.

Welche weiteren Highlights wird der Messebesucher auf der SPS IPC Drives bei SEW zu sehen bekommen?

Füller: Es gibt einiges zu sehen. Denn dadurch, dass wir in diesem Jahr in die neue Messehalle 3A umziehen, können wir auch den Stand vergrößern und präsentieren unser Portfolio auf rund 1.500m². Ziel dabei ist es, anhand vieler Applikationen die komplette Vielfalt und Kompetenz von SEW-Eurodrive zu zeigen. Dabei wollen wir die Besucher mitnehmen und die speziellen Mehrwerte unseres Angebots deutlich machen. Weil Steuerungstechnik und Automatisierung in Nürnberg natürlich besonders hoch aufgehängt sind, haben wir auch hier eine sehr interessante Applikation dabei. Dazu werde ich aber noch keine Details verraten, nur soviel: Es lohnt sich definitiv, am Stand vorbeizuschauen.

SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN SPSS 2018 - 19.11.18.
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