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Jörg Reger, Leiter Unternehmensbereich Robotics, ABB Deutschland, im Interview

"Mit Kreativität und Erfindergeist"

Kollaborative Roboter sollen in Zukunft für die nötige Flexibilität sorgen, um individuelle Kleinserien zu den Stückkosten der Massenproduktion fertigen zu können. Wo sich Mensch und Maschine einen Arbeitsplatz teilen, spielt aber vor allem das Thema Sicherheit eine Rolle. ROBOTIK UND PRODUKTION sprach mit Jörg Reger, Leiter des Unternehmensbereichs Robotics bei ABB in Deutschland, über die sichere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine.

Bild: ABB Automation GmbHBild: ABB Automation GmbH
Jörg Reger, Managing Director ABB Automation GmbH, Local Business Unit Manager Robotics, Deutschland

Herr Reger, mit SaveMove2 hat ABB eine Software entwickelt, durch die Mensch und Roboter enger zusammenarbeiten können. Auf welcher MRK-Stufe sehen Sie diese Entwicklung?

Jörg Reger: Die sicherheitszertifizierte Software SafeMove2 ermöglicht die Zusammenarbeit mit Robotern in einem gemeinsamen Arbeitsbereich im Sinne einer Koexistenz. Neben der direkten Kooperation wird auch die Koexistenz aufgrund der Verlagerung hin zur Low-Volume-/High-Mix-Produktion immer notwendiger. Sie erfordert, dass Menschen in der Nähe der Produktionslinien in einer Weise arbeiten, die immer sporadischer und unvorhersehbarer wird, z.B. beim Einbringen unterschiedlicher Materialien, bei Programmänderungen oder beim Prüfen neuer Durchläufe. Die Koexistenz ist nicht so ausgefeilt wie die Zusammenarbeit von Menschen und Robotern bei einer Montageaufgabe, sie bietet allerdings enorme Vorteile. Menschen können sicher in der Nähe von Roboterlinien arbeiten, während die Roboter so produktiv wie möglich bleiben. Ein Beispiel: Will der Mensch den Roboter bestücken oder überprüfen, muss er eigentlich den laufenden Prozess anhalten. SafeMove2 lässt den Roboter aber in präzise berechneten, vorher festgelegten Räumen agieren. Damit schafft das System die Voraussetzungen dafür, Menschen mit Industrierobotern sicher interagieren zu lassen, denn je näher ein Mitarbeiter dem Roboter kommt, desto mehr drosselt das System die Geschwindigkeit des Roboters.

ABB hat mit YuMi einen echten kollaborativen Roboter im Programm, der sich aber auch in seiner Funktion als Leichtbauroboter konventionell einsetzen lässt. Gibt es bereits Anwendungen, in denen YuMi im tatsächlichen MRK-Einsatz ist?

Reger: YuMi bietet insbesondere Flexibilität bei der Automatisierung der Kleinteilmontage, wie z.B. in der Elektronikfertigung, der Herstellung von kleinen medizinischen Geräten oder Kosmetikartikeln. Wie effektiv YuMi in der Kleinteilmontage unterstützt, zeigt z.B. Deonet, ein niederländischer Hersteller von Werbeartikeln. YuMi automatisiert dort die Fertigung von USB-Sticks und -Karten. Gleichzeitig bearbeitet der Roboter vielfältige Produktvarianten, die oft in Kleinmengen gefertigt werden. Dabei ist jeweils ein Deonet-Mitarbeiter im sogenannten Buddy-System für fünf YuMis zuständig. Er überwacht den Fertigungsprozess, stellt das Material bereit und führt finale Qualitäts- und Funktionskontrollen durch. YuMi übernimmt hingegen die Montage der USB-Sticks und -Karten und automatisiert z.B. den lasergestützten Prozess beim präzisen Anbringen von Klebepunkten auf die vielfältigen Formen.

Was denken Sie, wird sich MRK wirklich durchsetzen?

Reger: Kollaborative Roboter werden in Zukunft immer mehr zum Thema in Fabriken. Industrieunternehmen fertigen zunehmend geringere Volumen, sie fahren einen hohen Produktmix in immer kürzeren Zyklen. MRK bietet hier die nötige Flexibilität, um individuelle Kleinserien zu den Stückkosten einer Massenproduktion realisieren zu können. Die Möglichkeit, Roboter flexibel und direkt neben mit Menschen besetzten Arbeitsplätzen einsetzen zu können, führt außerdem dazu, dass sie auch verstärkt bei kleinen und mittleren Unternehmen zum Einsatz kommen. Um die Einstiegshürde in MRK weiter zu senken, vereinfachen wir z.B. auch die Roboterprogrammierung. Ein Stichwort ist hier Lead-Through-Programming. Dabei führt der Mensch den Roboterarm intuitiv an die gewünschten Positionen und speichert diese über eine grafische Benutzeroberfläche ab. Das stellt eine Vereinfachung des Prozesses dar und verkürzt die erforderliche Programmierdauer. Ein weiteres Beispiel ist die Integration weiterer Sensoren in kollaborative Roboter. Die YuMi-Familie verfügt über in die Greifer integrierte Kameras. Diese ermöglichen es dem Roboter, Werkzeuge und Teile ohne menschliche Hilfe zu finden, z.B. für das Ausrichten kleiner Schrauben zum Anziehen. Die Mensch/Maschine-Kollaboration kann dabei auch mit einer kleinen Basis an Robotern - oder sogar nur einem einzigen Roboter - begonnen und sukzessive ausgebaut werden.

Was bedeutet die flächendeckende Umsetzung von MRK für die Aus- und Weiterbildung von zukünftigen Roboterspezialisten, -programmierern und -konstrukteuren?

Reger: Die Aus- und Weiterbildung in der Robotik muss einer sich rasant verändernden Welt Rechnung tragen. Das erfordert mehr denn je Kreativität und Erfindergeist. MRK bietet einen riesigen Schatz an Applikationen, der von Roboterspezialisten identifiziert, ausgewertet und nutzbar gemacht werden muss. Ein weiteres wichtiges Element ist dabei auch die zuvor angesprochene Vereinfachung der Programmierung, Installation und Bedienung von Robotern. Aufgrund der immer komplexeren Automatisierung wird es zunehmend wichtiger, intuitive Instrumente zu entwickeln, die den Anwendern zu besseren Entscheidungen verhelfen.

ABB Automation GmbH

Dieser Artikel erschien in ROBOTIK UND PRODUKTION 1 2019 - 26.03.19.
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