SmartFactory-KL und die autonome Produktion
"Im Hochlohnland kostengerecht produzieren"
Seit der Hannover Messe 2014 steht der Demonstrator der SmartFactory-KL für Industrie 4.0 und die Bereitschaft von Unternehmen, in Punkto Interoperabilität an einem Strang zu ziehen. Wir haben auf der Hannover Messe mit dem Forschungsbereichsleiter Professor Martin Ruskowski über die Vision gesprochen, in Zukunft eine Maschine in der Fabrik so einfach anzubinden, wie Nutzer zuhause eine Maus in den PC einstecken.
Wie wichtig sind die Anregungen für Ihre Arbeit, die Sie auf der Hannover Messe erhalten?
Professor Dr.-Ing. Martin Ruskowski: Das Feedback auf der Hannover Messe ist für uns essenziell, weil wir im Labor mit unseren Partnern Konzepte ausarbeiten. Hier zeigen wir sie der Öffentlichkeit und dem gesamten Markt. In den Diskussionen mit Besuchern erhalten wir Feedback, ob unsere Ideen die richtigen sind, ob die Zeit für sie reif ist und wenn nicht, wann der passende Zeitpunkt zu erwarten ist. Außerdem bauen wir neue Kontakte auf, um die nächsten Schritte mit den richtigen Partnern anzugehen. Die SmartFactory Kaiserslautern verkauft ja keine Produkte. Wir leben von unserem Netzwerk. Wir präsentieren die Zukunft von Industrie 4.0 und wollen immer einen Schritt weiter sein. Dafür benötigen wir ein stabiles Netzwerk.
Es heißt, Ihr Demonstrator hier auf der Messe werde bald komplett neu aufgebaut.
Ruskowski: Die SmartFactory-KL ist 2014 mit dieser Anlage auf die Hannover Messe gekommen und hat sie über mehrere Jahre weiterentwickelt. Als einer der ersten Industrie-4.0-Demonstratoren überhaupt hat er das Prinzip der modularen Produktion gezeigt - aber mit Komponenten aus der Zeit 2013 und 2014. Die neue Steuerungsgeneration hat beispielsweise OPC UA meist sehr tief integriert. An unserer Anlage mussten wir das teils schon nachrüsten, weil die Steuerungen das im Jahr 2013 noch nicht an Bord hatten.
Ist die Integration von OPC UA in aktuelle Steuerungen ein Ergebnis Ihrer Arbeit?
Ruskowski: Eines der Ergebnisse. Die SmartFactory-KL hat ihre Partner schon zu neuen Produkten geführt. Jetzt geht es darum, die Struktur komplett zu überdenken und die Anlage für die Anforderungen der nächsten fünf Jahre fit zu machen. Als Leitbild für das Jahr 2025 haben wir uns den Oberbegriff der 'autonomen Produktion' gegeben, was nicht gleichbedeutend mit menschenleerer Produktion ist. Aus unserer Sicht besteht die autonome Produktion aus einem gesunden Gemisch von automatisierten Maschinen und menschlichen Arbeitsplätzen. Die Anforderungen der Konsumenten gehen in die Richtung individualisierter Produkte mit möglichst kurzer Lieferzeit. Das bedeutet eine hohe Variantenvielfalt, die mit Robotik und Automatisierungstechnik nur sehr schwer abzubilden ist. Die Variabilität der Programmierung wäre schlicht sehr aufwendig. Wenn man Produkte jedoch so entwickelt, dass sie aus standardisierten Bausteinen bestehen, die man automatisiert vorfertigen und in die Endmontage bringen kann, sind beide Ziele erreicht.
Der Werker montiert also weiterhin?
Ruskowski: Unsere Vision ist tatsächlich, die Endfertigung - aber auch komplexe Zwischenstufen - von Menschen ausführen zu lassen. Variable Randbedingungen beherrscht der Mensch besser. Dann haben wir aber die Herausforderung, dies mit möglichst wenig Planungsaufgaben zu erledigen. Es können ja nicht Horden von Menschen in der Arbeitsvorbereitung jedes Werkstück einzeln planen. Wir werden Produktionsplanungssysteme brauchen, die mit Losgröße 1 wirklich umgehen können.
Wie sehen die aus? Es gibt bereits elaborierte Advanced Planning & Scheduling-Lösungen, die mit teils schmerzlich genauen Taktzeiten planen.
Ruskowski: Genau das ist das Problem. Diese Systeme sind Top-Down entwickelt. Das sind nominelle Schedulings, die nominelle Taktzeiten ablesen. Wenn eine Maschine aus dem Tritt kommt, kommt der gesamte Plan durcheinander. Bei der autonomen Produktion sehen wir keine Top-Down-Planung, sondern eine Bottom-Up-Planung. Es soll jede Maschine und jeder Arbeitsplatz Dienstleistungen im Sinne einer serviceorientierten Produktion anbieten. Dafür zerlege ich meine Produktion in einzelne, standardisierte Produktionsschritte, die dann mit der Stückliste korrelieren muss. Also muss schon zu der Konstruktionsphase eines Produkts die Fertigung mitgedacht werden. In Zukunft werden wir auch die Intralogistik nicht mehr von der Produktion trennen können. Wir betrachten das heute als zwei Systeme, die aber mittel- oder langfristig zusammenwachsen müssen. Die wesentlichen Ausgaben in der Produktion machen nicht unbedingt die Löhne der Arbeiter aus, sondern die versteckten Kosten der Produktionsplanung. Wenn ich dort eine Optimierung hinbekomme, kann ich auch im Hochlohnland Deutschland kostengerecht produzieren.
Viele dieser Themen sind in der IT-Welt angesiedelt. Wird die SmartFactory-KL zum Softwareprojekt?
Ruskowski: Nein, die SmartFactory-KL wird immer die Brücke zwischen der Software und der Hardware darstellen. Wir werden kein reines Softwareprojekt.
Was muss sich bei der Automatisierungshardware tun?
Ruskowski: Der entscheidende Schritt ist, dass wir den gemeinsamen Kommunikationsstandard OPC UA haben und uns darauf einigen konnten, dass auch im Echtzeitbereich OPC UA und TSN oder 5G im drahtlosen Bereich die Zukunft ist. Doch OPC UA ist eigentlich nur das Alphabet. Die Sätze und Wörter, die wir daraus bilden, müssen noch definiert werden, um eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Wir brauchen eine übergeordnete, eine semantische Darstellung der Produktionseigenschaften. Ein moderne Steuerung, die heute normalerweise PC-basiert arbeitet und OPC UA beherrscht, muss in der richtigen Art und Weise programmiert werden. Dieses Programmierkonzept wird die SmartFactory-KL erarbeiten. Die IT schließlich kommt von der anderen Seite, und muss an genau diese Stellen andocken können.
In Ihrer Darstellung betrachten Sie IT und OT getrennt voneinander. Wird das künftig überhaupt noch möglich sein?
Ruskowski: Wenn die Sprache dieselbe ist, werden beide Ebenen ineinander wachsen. Aber sie haben grundsätzlich zwei verschiedene Verantwortungsbereiche. Sie haben den Maschinenbauer oder den Systemintegrator, der Ihnen die Maschine baut. Diese muss als abgeschlossene Einheit funktionieren und nicht von irgendeiner IT oder einem Clouddienstleister abhängig sein. Hier geht es um Sicherheit und Funktionssicherheit, um Echtzeit und Taktzeit. Doch diese Maschinen brauchen ein Interface, das sich an die Produktionsplanungssysteme andocken lässt. Diese Verbindung über einen einheitlichen Maschinenstecker herstellen zu können, ist tatsächlich unser Traum. Damit sie eine Maschine in der Fabrik genauso einfach anschließen können, wie heute eine Maus oder einen Drucker an den PC. (ppr)
Seit der Hannover Messe 2014 steht der Demonstrator der SmartFactory-KL für Industrie 4.0 und die Bereitschaft von Unternehmen, in Punkto Interoperabilität an einem Strang zu ziehen. Wir haben auf der Hannover Messe mit dem Forschungsbereichsleiter Professor Martin Ruskowski über die Vision gesprochen, in Zukunft eine Maschine in der Fabrik so einfach anzubinden, wie Nutzer zuhause eine Maus in den PC einstecken.
Wie wichtig sind die Anregungen für Ihre Arbeit, die Sie auf der Hannover Messe erhalten?
Professor Dr.-Ing. Martin Ruskowski: Das Feedback auf der Hannover Messe ist für uns essenziell, weil wir im Labor mit unseren Partnern Konzepte ausarbeiten. Hier zeigen wir sie der Öffentlichkeit und dem gesamten Markt. In den Diskussionen mit Besuchern erhalten wir Feedback, ob unsere Ideen die richtigen sind, ob die Zeit für sie reif ist und wenn nicht, wann der passende Zeitpunkt zu erwarten ist. Außerdem bauen wir neue Kontakte auf, um die nächsten Schritte mit den richtigen Partnern anzugehen. Die SmartFactory Kaiserslautern verkauft ja keine Produkte. Wir leben von unserem Netzwerk. Wir präsentieren die Zukunft von Industrie 4.0 und wollen immer einen Schritt weiter sein. Dafür benötigen wir ein stabiles Netzwerk.
Technologie-Initiative SmartFactoryKL e.V.
Dieser Artikel erschien in IT&Production Mai 2019 - 10.05.19.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com