Umfeld schaffen für den Start
Quanten-Computing an der Grenze zur Anwendung
Mehrere Dutzend Unternehmen stellen aktuell Hard- und Software bereit, um Quanten-Computing auszuprobieren. Insbesondere Automobilhersteller evaluieren bereits Ideen für Anwendungsfälle. Um als Early Mover dabei zu sein, können Firmen mit dem Aufbau von Wissen und einem Partnersystem beginnen.
Das Zeitalter der Quantencomputer scheint nicht allzu weit entfernt: Ein auf dem NASA-Server zur Veröffentlichung von Vordrucken eingestellter, kurz darauf entfernter und seitdem vielbesprochener wissenschaftlicher Artikel von 76 Autoren der Google AI Lab und NASA Ames Research Center Kooperation kommt zum Schluss: "Wir sind nur einen kreativen Algorithmus entfernt von wertschaffenden Anwendungen." Auch in der Technology-Vision-Studie von Accenture spielt das Thema eine große Rolle, lag doch im Jahr 2019 der Fokus der Umfrage unter mehr als 5.400 Geschäfts- und IT-Führungskräften auf Quantentechnologien. 40 Prozent der Befragten gaben an, proaktive Schritte zur Vorbereitung auf Quantentechnologien zu unternehmen. 36 Prozent planten, in den nächsten zwei Jahren in diesen Technologiebereich zu investieren.
Grenzen der HPC-Systeme
Die Arbeiten der NASA zeigen, dass Hochleistungsrechenzentren (HPC-Systeme) für eine spezielle Klasse von Problemen an ihre Grenzen stoßen. Der Quantenrechner benötigt zur Erzeugung einer komplexen Abfolge von Zufallszahlen etwas mehr als drei Minuten, während für das HPC-System NASA Summit 10.000 Jahre veranschlagt werden. Damit sind diese Berechnungen - verwandt mit weiteren Anwendungen im Bereich der Simulation und künstlichen Intelligenz - nach aktuellem Stand der Technik allein auf dem Quantenrechner Sycamore möglich - man erreicht also nur mit seiner Hilfe den Meilenstein, der als Quantenüberlegenheit (Quantum Supremacy) bekannt ist.
Finanzielle Einstiegsbarrieren
In den kommenden Jahren ist mit dem Ausbau existierender Cloud-Quantencomputerlösungen hin zu Post-Quantum-Supremacy-Systemen zu rechnen. Damit wird es möglich, finanzielle Einstiegsbarrieren zu überwinden und mit frühen Softwareprototypen die technische Machbarkeit sowie präzisere Abschätzungen zur Markteinführung durch anwendungsfallspezifische Analysen zu erproben. Außerdem können solche Initiativen Unternehmen dabei helfen, zu erkennen, wo sie ihre Fähigkeiten und Partnerschaften auf- und ausbauen sollten. Dies umfasst das Ganze, den Quantencomputingstack aus Hardware, Middleware und Applikationen umspannende Ökosystem.
Den Einsatz vorbereiten
Das Potenzial im Quantencomputing steht aktuell im Kontrast zur Unsicherheit, wie sich die technologische Reife entwickeln wird. Zur Vorbereitung auf den Einsatz dieser Technologie können Unternehmen schon heute etwa Fähigkeiten im Bereich Advanced Analytics ausbauen, die Werkzeuge für Quantencomputing entwickeln, zum Beispiel Programmierschnittstellen, mathematische Modellierung und Hardwarevarianten. Im nächsten Schritt lassen sich Anwendungsfälle identifizieren, in denen Quantencomputing Geschäftsvorteile bringen könnte. Zudem sollte ein Mitarbeiter damit betraut werden, die technologischen Entwicklungen im Auge zu behalten.
Knowhow um die Modellierung
Wer Lösungen identifizieren will, die erst durch Quantencomputing ermöglicht werden, muss die mathematische Modellierung in den Haupteinsatzgebieten verstehen. Startups, Dienstleister und Hardwareanbieter können dabei unterstützen, mit solchen Systemen umzugehen - etwa im Rahmen einer Partnerschaft. Es folgt die Identifizierung von Quantenalgorithmen mit niedrigem Ressourcenbedarf, die sich auf Simulatoren und heutigen - noch fehlerbehafteten - Quantenrechnern ausführen lassen, die Anpassung auf den Anwendungsfall und die Implementierung eines Prototyps. Dieser Ansatz unterstützt den Wissensaufbau über die Entwicklung von Quantenanwendungen einerseits und andererseits über die künftigen Hardwareentwicklungen generell. Durch den Einsatz lokaler Quantensimulatoren oder Cloud-Lösungen bleiben die Anfangsinvestitionen für die meisten Firmen überschaubar. Mit diesen Erfahrungen lässt sich ein erstes Technologiescoutingradar in einen spezifischeren Zeitplan überführen. Dieser beschreibt, wie die Anwendungsfälle auf aktuellen Lösungen skalieren und welche Lösungen durch Kooperationen zur Verbesserung der Algorithmen oder Hardware fortgeführt werden sollten.
Mainframe-Zugriff möglich
Bei der Bereitstellung von Hard- und Software für Quantencomputeranwendungen können Anwender heute bereits auf mehrere Dutzend Unternehmen zurückgreifen. Anbieter von Quantencomputer-Mainframes stellen typischerweise eine Schnittstelle mit Befehlssätzen zur Verfügung, die quantenspezifische elektrische Steuersignale und übergeordnete Programmiersprachen definieren. Auf höchstem Abstraktionsniveau ermöglichen Algorithmenbibliotheken eine Benutzeroberfläche, bis hin zu modernen Web-Frontends. Diese erleichtern den Endanwendern die Einarbeitung und Nutzung deutlich, ohne tiefgreifendes Verständnis der Quantenmechanik oder Programmierung vorauszusetzen.
Machbarkeit wird erforscht
Aktuell verfolgen industrieübergreifend zahlreiche Anwender Ansätze für erste Proof-of-Concept-Anwendungen, die sich im Bereich der quanteninspirierten Lösungen als tatsächlich produktiv erweisen. Das ultimative Ziel einer fahrerlosen Lieferkette, bei der alle Aspekte der End-to-End-Aktivitäten - Planung, Beschaffung, Produktion, Logistik, Dienstleistungen und die Fähigkeit, auf Risiken mit schneller Neuplanung zu reagieren - in einem Unternehmen optimiert sind, beinhaltet Problemstellungen, die heute noch unlösbar erscheinen, es in Zukunft jedoch nicht sein müssen.
Pionier Automobilindustrie
Die Automobilindustrie zeigt auf, wo die Reise hingehen kann, etwa bei der Reduktion von Ausfallrisiken in komplexen Lieferantennetzwerken und deren Planung oder der Verteilung und Steuerung von Automobilen für schnelle und weitreichende Mobilitätsservices: Der Volkswagen Konzern baut als einer der Vorreiter mit Quantencomputerinitiativen seine digitale Kompetenz weiter aus. In diesem Zusammenhang kooperiert die IT des Herstellers mit dem Quantencomputer-Unternehmen D-Wave Systems bei einem Forschungsprojekt zur Verkehrsflussoptimierung. Auch BMW investiert in eine Quantencomputing-Inkubationsinitiative. Oliver Wick, Technology Scout bei BMW, berichtete jüngst davon, dass man sich bereits seit 2017 intensiv mit dem Quantencomputing beschäftige, sich dessen Auswirkungen auf eigene Prozesse, Produkte und Services angeschaut und Anwendungsfälle identifiziert habe. Drei dieser Fälle habe die BMW Startup Garage gemeinsam mit dem Startup QC Ware in einer Machbarkeitsstudie auf Quantencomputern im Frühstadium untersucht. Ziel dieser Studie sei nicht gewesen, einen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen, sondern einen besseren Eindruck der Leistungsfähigkeit von Quantencomputern zu erhalten und internes Knowhow aufzubauen.
Reif für den Brutkasten
Diese Beispiele unterstreichen den Nutzen, schon früh mit der Inkubation dieser Zukunftstechnologie zu starten: Durch Zugriff auf bestehende kommerzielle Quantencomputerkapazitäten und den Aufbau diverser Teams mit Branchenexperten, fortgeschrittenen Analytikern und Quantencomputerspezialisten. In enger Zusammenarbeit mit seinen Partnern lassen sich diese Low-Fidelity-Proof-of-Concepts auf der Zeitskala von Wochen bis Monaten etablieren, Investition begrenzen und Erkenntnisse für weitere Initiativen gewinnen. Wer sich den First Movern anschließt, könnte sich schon bald das bislang fremde Technologiespektrum als wirksamen Differentiator aneignen.
Mehrere Dutzend Unternehmen stellen aktuell Hard- und Software bereit, um Quanten-Computing auszuprobieren. Insbesondere Automobilhersteller evaluieren bereits Ideen für Anwendungsfälle. Um als Early Mover dabei zu sein, können Firmen mit dem Aufbau von Wissen und einem Partnersystem beginnen.
Das Zeitalter der Quantencomputer scheint nicht allzu weit entfernt: Ein auf dem NASA-Server zur Veröffentlichung von Vordrucken eingestellter, kurz darauf entfernter und seitdem vielbesprochener wissenschaftlicher Artikel von 76 Autoren der Google AI Lab und NASA Ames Research Center Kooperation kommt zum Schluss: "Wir sind nur einen kreativen Algorithmus entfernt von wertschaffenden Anwendungen." Auch in der Technology-Vision-Studie von Accenture spielt das Thema eine große Rolle, lag doch im Jahr 2019 der Fokus der Umfrage unter mehr als 5.400 Geschäfts- und IT-Führungskräften auf Quantentechnologien. 40 Prozent der Befragten gaben an, proaktive Schritte zur Vorbereitung auf Quantentechnologien zu unternehmen. 36 Prozent planten, in den nächsten zwei Jahren in diesen Technologiebereich zu investieren.
Accenture Dienstleistungen GmbH
Dieser Artikel erschien in IT&Production 2 (März) 2020 - 09.03.20.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com