Robotic Process Automation
Brückentechnologie im Aufwind
Solange steht RPA noch nicht auf der Agenda von IT-Verantwortlichen im Industrieumfeld, da haben Experten der Technologie schon ein Verfallsdatum gesetzt. RPA könne mittelfristig als Brückentechnologie aussterben, schreiben die Autoren des Bitkom-Leitfadens 'ERP und Robotic Process Automation (RPA) - eine Einordnung'. Die Veröffentlichung zeigt aber auch, warum uns die Softwareroboter trotzdem noch Jahrzehnte begleiten könnten.
ERP-Systeme stehen im Mittelpunkt einer jeden unternehmerischen Digitalisierungsstrategie. Moderne ERP-Software bildet Unternehmensprozesse ab und automatisiert diese. Ist die ERP-Lösung veraltet oder fehlt die nötige Offenheit, kann sie zum Bremser werden und Brückentechnologien wie Robotic Process Automation - kurz RPA - für Unternehmen attraktiv machen. Prinzipiell kann der Einsatz von RPA-Technologien dort als sinnvoll angesehen werden, wo durch die Automatisierung von Prozessen nachweislich Effizienz- und Produktivitätszugewinne realisiert werden können.
Anwendungsfälle von RPA
Beispiele für den RPA-Einsatz bietet das Feld der Integration. Mangelt es einem ERP-System an einer Schnittstelle für eine Aufgabe, etwa aufgrund veralteter Technologie oder fehlender Entwicklungsressourcen, können die Inhalte mit einem Drittsystem (aus ERP-Sicht) per GUI-Fernsteuerung ausgetauscht werden. Zudem gibt es Situationen, in denen die Benutzerführung eines ERP-Systems gerade bei wiederkehrenden Aufgaben umständlich oder fehleranfällig wirkt. Hier kann RPA durch (Teil-)Automatisierung des Prozesses helfen. Auch im Software-Testing lassen sich die Roboter einsetzen, um Entwicklungsarbeit automatisiert auf Fehler abzuklopfen.
Veraltete Software
RPA soll vorrangig Prozesse im Backoffice von Unternehmen und Institutionen automatisieren. Insbesondere adressiert RPA die Prozesse, bei denen Informationen bisher händisch von Medium zu Medium oder von System zu System übertragen werden; beispielsweise von Papierrechnungen in eine Finanzbuchhaltungssoftware oder von Desktop zu Desktop. Besonders Letzteres erscheint absurd, denn wieso sollte es nötig sein, bereits digital vorhandene Informationen per Hand von einer Software in eine andere zu übertragen? Der Grund ist ein großes Digitalisierungsdefizit auf breiter Front: Ein Großteil der derzeit in Unternehmen eingesetzten Software ist schlichtweg veraltet. In der Praxis führt dies zu fehlender Interoperabilität (APIs), einer großen Anzahl von suboptimal arbeitenden Middlewares, aufwendigen Eigenentwicklungen und personalintensiven Workarounds.
Kleber zwischen Papier und ERP-System
Klassisches RPA schlägt eine Brücke zwischen der analogen und der digitalen Welt. Zur Automatisierung von standardisierten Geschäftsprozessen werden die Aktivitäten eines menschlichen Anwenders mit einem oder mehreren IT-Systemen durch die RPA-Anwendungen simuliert. Aufgrund eines hohen Standardisierungsgrads lassen sich Prozesse auf Basis von (Papier-)Formularen sehr gut mit klassischem RPA automatisieren. Beispiele hierfür sind Anträge zur Neuanlage eines Mitarbeiters, Kundenbestellungen per Fax, Rechnungseingang etc. RPA überbrückt damit den Weg zwischen dem Bedarfsträger (z. B. Endkunde) und dem Back-Office über Dokumente.
Für strukturierte Daten gut geeignet
Bei Formularen handelt es sich um strukturierte Daten, die sich gut bestehenden Prozessen zuordnen lassen. Dokumente werden dabei zuerst gescannt und via OCR in eine maschinenlesbare Form überführt. Alternativ wird das Formular gleich als PDF elektronisch an das RPA-System übergeben. Anschließend werden die Inhalte durch das RPA extrahiert, interpretiert und einem oder mehreren Geschäftsprozessen im ERP-System zugeordnet. Am Beispiel Rechnungseingang wird die entsprechende Bestellung aus dem ERP-System abgerufen und mit den Rückmeldungen aus dem Wareneingang abgeglichen. Nach erfolgreicher Rechnungsprüfung gibt das RPA-System die Rechnung zur Zahlung im ERP-System frei. Etwaige Mehr- oder Mindermengen-Lieferungen können über RPA im ERP-System weitere Aktivitäten auslösen. RPA kann speziell in den Bereichen seine Stärken ausspielen, in denen sich die Prozesse auf mehrere heterogene IT-Systeme erstrecken, etwa beim Onboarding eines neuen Mitarbeiters.
Fallstricke und Einschränkungen
So lange RPA im Wesentlichen bei standardisierten und stabilen Prozessen zur Anwendung kommt, ist der spätere Anpassungsbedarf eher gering. Und doch haben sich die Erwartungen vieler Unternehmen, die RPA-Projekte betrieben haben, nicht erfüllt. Die Gründe waren häufig mangelnde Leitplanken, Rigidität und Governance bei der Einführung. Oftmals wird bei RPA-Initiativen die Missbrauchsanfälligkeit der Technologie unterschätzt, die Komplexität erhöht und die Koordination zwischen Geschäftsbereichen, IT- und Security-Funktionen vernachlässigt. Denn RPA verlangt nach sehr viel Prozessdisziplin und Überwachung der Workflows. Besonders dynamische Unternehmen müssen Regeln und Skripte laufend anpassen und aktualisieren, was zusätzlich kostet. Zugleich werden die Einschränkungen von klassischem RPA mit zunehmender Verbreitung der Technologie deutlich:
- • RPA kann nicht mit unstrukturierten Daten umgehen
- • RPA funktioniert bei einfachen Geschäftsregeln am besten
- • RPA kann keine dynamischen Entscheidungsprozesse ausführen
- • RPA fehlt es zuweilen an Skalierbarkeit und Übertragbarkeit auf andere Prozesse.
Cognitive Process Automation
Mit klassischer RPA gewinnen Firmen kurzfristig Flexibilität, doch Probleme der Systeme werden nur verlagert statt gelöst. Durch Einsatz von künstlicher Intelligenz entsteht derzeit jedoch eine neue Gattung von RPA-Tools, die wesentlich besser mit Prozessabweichungen und mit unstrukturierten Daten umgehen kann. Mit der Bezeichnung 'Cognitive' oder 'Intelligent Process Automation' entstehen gerade auch langfristig sehr nützliche Automatisierungslösungen, deren Anpassungsbedarf an veränderte Rahmenbedingungen zudem geringer ist. Bei diesem Ansatz werden mithilfe von Technologien wie Machine Learning oder neuronalen Netzen die Ablauf- und Entscheidungsmuster unter Berücksichtigung der verarbeiteten Daten und Randbedingungen automatisch ermittelt und als Regeln zur Prozessautomatisierung aufbereitet. Kognitive RPA soll ein automatisches menschenähnliches Verständnis mitbringen, wenn Textdokumente oder menschliche Sprache verarbeitet werden. In der Praxis knüpft RPA so etwa neue Verbindungen zwischen Kunden und ERP-System (als Service Chat-Bot) oder überträgt Papierformulare und deren nachgelagerte Prozesse in die Business-Software.
Mitnichten ein Verfallsdatum
Wer RPA allein als Ergonomiepflaster betrachtet, mag die Einschätzung der Experten beim Bitkom besser nachvollziehen, dass RPA-Ansätze irgendwann einmal ausgedient haben mögen. Wenn ausreichend viele moderne ERP-Systeme und daran angrenzende IT-Systeme im Einsatz sind, die über offene und eventuell sogar standardisierte Schnittstellen verfügen, besteht keine Notwendigkeit für eine 'Fernsteuerung' der Systeme über die Benutzerschnittstelle. Bei Systemen, die über Schnittstellen (APIs) orchestriert werden können, treten RPA-Systeme in Konkurrenz zu BPM-Systemen, die Workflows systemübergreifend steuern können. Dieser Austausch von gewachsenen ERP-Systemlandschaften durch neue Lösungen passiert aber nicht unmittelbar, sondern sukzessive. Die Erstimplementierung aktuell genutzter ERP-Installationen liegt im Durchschnitt 16 Jahre zurück, mit steigender Tendenz. Mit Blick auf die nächsten Jahre wird klassisches RPA sicherlich noch einen Platz in der Unternehmens-IT haben. Und der Wandel zu kognitivem RPA wirft das Licht auf bislang ungeahnte Möglichkeiten: Von der Fernsteuerung weniger IT-Systeme über die Benutzerschnittstelle bei strukturierten Prozessen hin zu einer Prozessautomatisierung, die mit unstrukturierten Daten umgehen kann und auch komplexe Anfragen versteht und automatisiert.
Solange steht RPA noch nicht auf der Agenda von IT-Verantwortlichen im Industrieumfeld, da haben Experten der Technologie schon ein Verfallsdatum gesetzt. RPA könne mittelfristig als Brückentechnologie aussterben, schreiben die Autoren des Bitkom-Leitfadens 'ERP und Robotic Process Automation (RPA) - eine Einordnung'. Die Veröffentlichung zeigt aber auch, warum uns die Softwareroboter trotzdem noch Jahrzehnte begleiten könnten.
ERP-Systeme stehen im Mittelpunkt einer jeden unternehmerischen Digitalisierungsstrategie. Moderne ERP-Software bildet Unternehmensprozesse ab und automatisiert diese. Ist die ERP-Lösung veraltet oder fehlt die nötige Offenheit, kann sie zum Bremser werden und Brückentechnologien wie Robotic Process Automation - kurz RPA - für Unternehmen attraktiv machen. Prinzipiell kann der Einsatz von RPA-Technologien dort als sinnvoll angesehen werden, wo durch die Automatisierung von Prozessen nachweislich Effizienz- und Produktivitätszugewinne realisiert werden können.
Anwendungsfälle von RPA
Beispiele für den RPA-Einsatz bietet das Feld der Integration. Mangelt es einem ERP-System an einer Schnittstelle für eine Aufgabe, etwa aufgrund veralteter Technologie oder fehlender Entwicklungsressourcen, können die Inhalte mit einem Drittsystem (aus ERP-Sicht) per GUI-Fernsteuerung ausgetauscht werden. Zudem gibt es Situationen, in denen die Benutzerführung eines ERP-Systems gerade bei wiederkehrenden Aufgaben umständlich oder fehleranfällig wirkt. Hier kann RPA durch (Teil-)Automatisierung des Prozesses helfen. Auch im Software-Testing lassen sich die Roboter einsetzen, um Entwicklungsarbeit automatisiert auf Fehler abzuklopfen.
BITKOM e.V.
Dieser Artikel erschien in IT&Production 5 (Juni) 2020 - 10.06.20.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com