IT-Anforderungen im Reich der Mitte
"China sieht Deutschland als Blaupause"
Bereits seit 2004 ist die Software-Sparte des PSI-Konzerns mit Niederlassungen in Beijing und Shanghai in China vertreten. Die Unternehmen sollen neben der Unterstützung vor Ort aus funktionaler Sicht von der Mehrwerkesteuerung, der Unicode-Fähigkeit, die auch eine chinesische Sprachversion bereitstellt, sowie landesspezifischen Anpassungen in den Softwareprodukten profitieren. Lars Pischke, Leiter für Internationales Business bei Psipenta, spricht im Interview über die Herausforderungen, denen sich deutsche Software-Anbieter und Fertiger auf dem chinesischen Markt stellen müssen.
Herr Pischke, in DACH agieren Sie am Markt als Enterprise Resource Planning- und Manufacturing Execution System-Lieferant und haben sich vor allem auf die Branchen des Maschinen- und Anlagenbaus sowie auf die Automobilindustrie spezialisiert. Welche Strategie verfolgt Psipenta in China?
Lars Pischke: Wir setzen in China auf den Aufbau von zwei Standbeinen. Das sind einerseits die Unterstützung von Rollouts von Bestandskunden und andererseits der Gewinn chinesischer Firmen als Neukunden. Selbstverständlich bleiben wir auch dort unseren Branchen treu. Da kennen wir uns aus. Aber anders als auf dem deutschsprachigen Markt bieten wir in China vor allem Manufacturing Execution System-Lösungen und einzelne Module zur Enterprise Resource Planning-Veredelung, also zur Optimierung vorhandener ERP-Systeme für die Produktion an.
Weisen die Veredelungen und MES-Lösungen auf funktionaler Ebene Unterschiede zu europäischen Installationen auf? Und stellen europäische und asiatische Fertigungsunternehmen andere Anforderungen an Ihre in China installierten IT-Systeme?
Pischke: Die Anforderungen an die Software beziehungsweise die funktionale Ausstattung sind grundsätzlich gleich. Da gibt es keine großen Unterschiede. Ein nennenswerter Unterschied ist vielleicht, dass die Bedienoberfläche für den End-User deutlich einfacher sein muss.
Auf was sollten europäische Fertigungsunternehmen achten, wenn sie die IT-Unterstützung einer chinesischen Niederlassung ausbauen wollen?
Pischke: Die Verfügbarkeit von Netzwerk beziehungsweise der Internetanschluss sind wichtige Voraussetzungen, die in China häufig nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Oftmals stehen die notwendigen Bandbreiten nicht bereit oder die Netze sind nicht ausreichend stabil. Da müssen dann Lösungen gefunden werden. Nicht zuletzt bedarf es einer ausführlichen Lokalisierung, da für viele chinesische End-User Englisch trotz Sprachkenntnisse eine zu große Hürde bedeutet.
Im europäischen Markt werden Softwareunternehmen über Ausschreibungen beziehungsweise Lasten- oder Pflichtenhefte selektiert und zu Workshops eingeladen. Wie muss man sich den Verkaufsprozess in China vorstellen? Wie unterscheidet er sich vom gewohnten Vorgehen?
Pischke: Teilweise werden Ausschreibungen durch Fünfjahrespläne der Regierung thematisch gefördert, aber auch Ausschreibungen im klassischen Sinn gibt es auf dem chinesischen Markt. Hier spüren wir deutlich, dass ein Technologietransfer aus Deutschland nach China gewünscht ist und Deutschland als Blaupause gesehen wird. China ist die Fabrik der Welt, wir sind die Ausrüster. Und natürlich spielen das Beziehungsmanagement sowie namhafte Referenzprojekte auch in China eine große Rolle.
Wie groß ist der Wettbewerb im MES-Segment in China und wie gut kennen Sie ihre Rivalen?
Pischke: Im MES-Segment sehen wir uns vor allem internationalen Big Playern wie Rockwell Automation, GE, Siemens und SAP gegenüber. Auf der anderen Seite beschränkt sich die Anzahl aber eben auf eine Handvoll Anbieter, die wir mittlerweile sehr gut einschätzen können. Im Vergleich zum deutschen Markt haben wir im MES-Funktionsbereich also wenige Mitbewerber, diese kommen eher aus dem Bereich Scada.
Es ist bekannt, dass sich die deutsche und chinesische Kultur und Arbeitsethik unterscheiden. Welche Auswirkungen haben die Unterschiede auf den Arbeitsalltag und auf ein Software-Projekt?
Pischke: Viele Abläufe sind tatsächlich kaum vergleichbar mit denen, die wir von deutschen Projekten kennen. Es gibt zwar durchaus Unterschiede zwischen staatlich geführten und privaten Firmen. Man kann aber generell von eher stringenten Abläufen nach festgelegten Prozessen und Plänen sprechen. Lösungen werden nicht gemeinsam erarbeitet, sondern müssen vorgegeben werden. Das macht die Projektarbeit hin und wieder mühsam. Hinzu kommt, dass es in China kaum ein Bewusstsein für Standardlösungen, Updates und so weiter gibt. Stattdessen sind vor allem Projektlösungen gewünscht. Auch das ist natürlich eine besondere Herausforderung. Hier müssen wir oft Überzeugungsarbeit leisten und fungieren wahrscheinlich als eine Art Kulturbotschafter.
Geben Sie diesen Erfahrungsschatz an hiesige Unternehmen weiter, wenn diese einen Standort in China errichten wollen? Welche Ratschläge haben Sie für Fertigungsunternehmen, die im Reich der Mitte produzieren wollen?
Pischke: Ja, dazu führen wir Seminare und Workshops durch. Wir sind offen und geben das an unsere Kunden weiter. Wir haben ja ein Interesse daran, dass unsere Kunden erfolgreich expandieren. Wir machen zum Beispiel immer wieder deutlich, dass Projekteinführungen in China komplexer sind und dadurch auch mehr Zeit in Anspruch nehmen. Faktor zwei bis drei ist normal. Auf jeden Fall sollte man nicht erwarten, dass eine Eins-zu-Eins-Umsetzung der Vorgehensweise in Deutschland möglich ist.
Spielt der Trend zur Industrie 4.0 eine Rolle bei ihren China-Aktivitäten? Wie beurteilen Sie den Stand der dortigen Fertigungslandschaft im Vergleich zu Europa bei Themen wie der digitalen Vernetzung, Auto-ID oder auch bei Geschäftsmodellen?
Pischke: Ja, das Thema Industrie 4.0 ist auch in China sehr aktuell im Moment. Die chinesische Regierung hat das Thema für sich angenommen und forciert es unter dem Begriff 'Made in China 2025'. Aktuell finden verschiedene Konferenzen und Workshops statt, wo das deutsche Know-how gern gesehen ist. Für deutsche Unternehmen ist das eine große Chance, mit entsprechenden Technologien auch in China Fuß zu fassen. Die Fertigung in China wird sich in den nächsten Jahren sehr verändern müssen. Wahrscheinlich auch ein wenig mehr als die europäische. Aber das Thema wird sehr ernst genommen und hat somit gute Chancen, erfolgreich zu sein. (ppr)n
Bereits seit 2004 ist die Software-Sparte des PSI-Konzerns mit Niederlassungen in Beijing und Shanghai in China vertreten. Die Unternehmen sollen neben der Unterstützung vor Ort aus funktionaler Sicht von der Mehrwerkesteuerung, der Unicode-Fähigkeit, die auch eine chinesische Sprachversion bereitstellt, sowie landesspezifischen Anpassungen in den Softwareprodukten profitieren. Lars Pischke, Leiter für Internationales Business bei Psipenta, spricht im Interview über die Herausforderungen, denen sich deutsche Software-Anbieter und Fertiger auf dem chinesischen Markt stellen müssen.
Herr Pischke, in DACH agieren Sie am Markt als Enterprise Resource Planning- und Manufacturing Execution System-Lieferant und haben sich vor allem auf die Branchen des Maschinen- und Anlagenbaus sowie auf die Automobilindustrie spezialisiert. Welche Strategie verfolgt Psipenta in China?
Lars Pischke: Wir setzen in China auf den Aufbau von zwei Standbeinen. Das sind einerseits die Unterstützung von Rollouts von Bestandskunden und andererseits der Gewinn chinesischer Firmen als Neukunden. Selbstverständlich bleiben wir auch dort unseren Branchen treu. Da kennen wir uns aus. Aber anders als auf dem deutschsprachigen Markt bieten wir in China vor allem Manufacturing Execution System-Lösungen und einzelne Module zur Enterprise Resource Planning-Veredelung, also zur Optimierung vorhandener ERP-Systeme für die Produktion an.
PSI Automotive & Industry GmbH
Dieser Artikel erschien in IT&PRODUCTION Jul-Aug 2015 - 17.07.15.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com