Sichere Leitungen für bewegte Anwendungen
Ein C-Teil, dessen Ausfall fatal sein kann
Leitung ist nicht gleich Leitung. Was für herkömmliche Einsatzbereiche völlig ausreichend sein mag, kann sich bei bewegten Anwendungen in der Industrie als völlig unzulänglich erweisen. Innerhalb eines Fachpresseworkshops beim Energieketten- und Leitungsspezialisten Igus in Köln wurde den anwesenden Journalisten eindrücklich vermittelt, welche Anforderungen an die Produkte in anspruchsvollen Applikationen im Zusammenspiel mit Energieketten gestellt werden und wie umfangreich die Maßnahmen sind, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden.
"Eigentlich wird eine Leitung in der Regel nur als ein C-Teil angesehen, das lediglich einen minimalen Anteil am Gesamtwert einer Maschine ausmacht", bemerkt Rainer Rössel, Leiter des Geschäftsbereich Chainflex-Leitungen bei Igus, gleich zu Beginn des Workshops. "Fällt dieses C-Teil aber aus, kann dies enorme Auswirkungen auf ein Unternehmen haben." Folglich müsste eine Energiekette im Grunde eher als die Nabelschnur einer Maschine angesehen werden. Sie versorgt ein Maschinenteil mit Energie, Daten und Medien und macht zugleich jede seiner Bewegungen mit. Der Grad der Bewegung reicht von simplen Hüben bis hin zu sechsachsigen Roboter-Anwendungen. Damit die innenliegenden Leitungen den Belastungen viele Millionen mal standhalten, und es nicht etwa nach wenigen tausend Zyklen zu Aderbrüchen oder dem berüchtigten Korkenzieher-Effekt kommt, müssen Material und Aufbau der Leitungen optimal aufeinander abgestimmt sein.
Standard-Normtests sind unzureichend
Die Praxis zeigt, dass selbst hochflexible Leitungen im bewegten Einsatz in Energieketten oft rasch an ihre Belastungsgrenzen stoßen. "Die oft harten Einsatzbedingungen machen es nötig, die Gleitpartner - also Leitung und Energiekette - im Zusammenspiel zu testen", gibt Rössel zu bedenken. Standard-Normtests, wie sie von VDE, IEC oder UL durchgeführt werden, ließen diesbezüglich kaum eine klare Aussage zu. Um verlässliche Prognosen treffen zu können, bleibt nur der Langzeitversuch in der Energiekette selbst. Einschlägige Normen simulieren auf anderen Wege den Verschleiß lediglich, und nicht direkt mit der Kette beziehungsweise den Kettenwerkstoffen, wodurch sich dieser nicht eins zu eins auf den Einsatz in Ketten adaptieren lässt. Um die Lebensdauer verlässlich voraussagen zu können, betreibt Igus als Spezialist für Kunststoffe und Leitungen in Bewegung ein 1.750m² großes Testlabor für bewegte Leitungszerstörung in Energieketten, in dem auf 58 verschiedenen Testständen die Produkte im Dauerbetrieb auf ihre Belastbarkeit geprüft werden. Da es auf die genaue Abbildung der realen Arbeitsbedingungen ankommt, sind Testachsen mit unterschiedlichsten Verfahrwegen und Beschleunigungen oder Witterungsbedingungen vorhanden. Für die Erprobung von großen Energiekettensystemen, wie sie etwa bei Krananlagen zum Einsatz kommen, ist ein Außentestgelände mit einem Verfahrweg von bis zu 240m Verfahrweg vorhanden. Hier wurden bereits Komponenten mit 4m/s und einer Zusatzlast von 8kg/m auf eine Gesamtleistung von 25.000km erfolgreich getestet.
Simulation von Temperaturverläufen
Ebenso werden Temperaturverläufe von -40 bis +60°C untersucht. Dem eigens hierfür umgebauten Seecontainer, in dem diese Verläufe realisiert werden können, kommt eine zentrale Bedeutung zu. Anders als bei der sonst üblichen Kältewickelprüfung, bei der Testleitungen auf einen Dorn aufgewickelt und einmalig auf Prüftemperatur heruntergekühlt werden, stehen hier Leitungen und Ketten bei entsprechenden Testtemperaturen unter realistischen Bewegungsbedingungen auf dem Prüfstand. Diese müssen den Millionen von Hüben und eben der im echten Einsatz zu erwartenden Biegebeanspruchung standhalten. Eine Prüfung gilt dann als bestanden und somit die notwendige Kälteflexibilität als erwiesen, wenn keine Mantelbrüche festgestellt werden können. Nicht immer dreht es sich bei den Tests um Extremtemperaturen. Bei Kundenanfragen geht es zumeist um Leitungen, die noch bei -5°C sicher funktionieren. Igus bietet deshalb seit über vier Jahren eine ölbeständige PVC-Mischung, die über eine hohe Abriebfestigkeit bei einer großen Temperaturbandbreite verfügt. Dies ist ein absolutes Novum auf dem Markt, denn übliche PVC-Mischungen für kettentaugliche Leitungen erfüllen diese Anforderungen bis heute nicht. Ein weiterer Vorteil: Bei eher gemäßigten Temperaturen ist es nicht zwangsläufig notwendig, auf teurere Mantelwerkstoffe wie PUR oder TPR zurückzugreifen.
Bündel- statt Lageverseilung
Die Analysen der umfangreichen Tests führten bei Igus neben neuartigen Materialien zur Einführung der Bündelverseilung, wie sie bei Stahlseilen üblich ist. In einem aufwändigen Verfahren, das die fünffache Zeit im Vergleich zur herkömmlichen Lageverseilung in Anspruch nimmt, werden bei der Bündelverseilung Adern in Einzelbündel mit drei, vier oder fünf Adern verseilt, die dann wiederum zu einer Gesamtverseilung der Bündel miteinander verseilt werden. Bei großen Verseilaufbauten geschieht dies um ein Zugentlastungselement. Das Ergebnis ist eine Leitung, die bewegungsrobust und absolut kettentauglich ist, da - im Unterschied zu einer lagenverseilten Leitung - jede der Adern bei der Bewegung in der Energiekette gleichermaßen im Innen- und auch im Außenradius bewegt wird und dadurch einseitige Streckungen und Stauchungen vermieden werden. Bei noch extremeren Bewegungen kommen Leitungen zum Einsatz, deren Leitungsaufbau ebenfalls komplexer ist. Diese sogenannten 'Roboterleitungen' werden vor allem bei Industrierobotern eingesetzt und müssen extremste Bewegungen, Biegungen und Torsionen mitmachen. Spezielle Dämpfungselemente geben den Adern hierbei die notwendige Bewegungsfreiheit im Leitungsinnern. Denn, je mehr die Leitung 'zugedreht' wird - an die Grenze der Belastung gerät - desto schwieriger wird es, die Leitung zu tordieren. Besondere Schirme und Außenmaterialien sorgen zusätzlich für eine optimale Haltbarkeit der Leitungen.
Großes Leitungsangebot
Derzeit bietet die chainflex-Produktfamilie von Igus 1.040 verschiedene Leitungen. Wie lange Leitungen bei entsprechender Anwendung halten werden, können Anwender selbst berechnen, da die Testergebnisse von jährlich über zwei Milliarden Testzyklen aus dem Labor in eine Datenbank einfließen, auf Grundlage derer das freizugängliche Online-Tool zur Lebensdauerberechnung auf der Igus-Website basiert. (jwz)
Leitung ist nicht gleich Leitung. Was für herkömmliche Einsatzbereiche völlig ausreichend sein mag, kann sich bei bewegten Anwendungen in der Industrie als völlig unzulänglich erweisen. Innerhalb eines Fachpresseworkshops beim Energieketten- und Leitungsspezialisten Igus in Köln wurde den anwesenden Journalisten eindrücklich vermittelt, welche Anforderungen an die Produkte in anspruchsvollen Applikationen im Zusammenspiel mit Energieketten gestellt werden und wie umfangreich die Maßnahmen sind, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden.
"Eigentlich wird eine Leitung in der Regel nur als ein C-Teil angesehen, das lediglich einen minimalen Anteil am Gesamtwert einer Maschine ausmacht", bemerkt Rainer Rössel, Leiter des Geschäftsbereich Chainflex-Leitungen bei Igus, gleich zu Beginn des Workshops. "Fällt dieses C-Teil aber aus, kann dies enorme Auswirkungen auf ein Unternehmen haben." Folglich müsste eine Energiekette im Grunde eher als die Nabelschnur einer Maschine angesehen werden. Sie versorgt ein Maschinenteil mit Energie, Daten und Medien und macht zugleich jede seiner Bewegungen mit. Der Grad der Bewegung reicht von simplen Hüben bis hin zu sechsachsigen Roboter-Anwendungen. Damit die innenliegenden Leitungen den Belastungen viele Millionen mal standhalten, und es nicht etwa nach wenigen tausend Zyklen zu Aderbrüchen oder dem berüchtigten Korkenzieher-Effekt kommt, müssen Material und Aufbau der Leitungen optimal aufeinander abgestimmt sein.
igus GmbH
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 8 2015 - 03.08.15.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de