Smarte Verbindung von Kilowatt und Kilobyte
Der Weg zum intelligenten Stromnetz
Mit ihrer intelligenten Musterstation verknüpft das Ingenieurbüro Pfeffer normenkonform und betriebssicher die Primär- und Sekundärtechnik von Ortsnetzstationen. Dabei erfüllen Pfeffers Lösungen schon heute die Anforderungen an intelligente Ortsnetzstationen (iONS) von Morgen. Das Gehirn ihrer Lösungen beziehen die Hessen aus Minden - von der Firma Wago.
Ginge es nach Matthias Pfeffer, wäre ein Teil der heute bestehenden Energieversorgung sehr bald Geschichte. Nämlich der, in dem die Spannung unserer Stromnetze lediglich von der einen zur anderen Spannungsebene gewandelt wird, anstatt dabei intelligent gemanagt zu werden. "Unser Stromnetz ist sehr leistungsfähig", sagt der Kopf des Ingenieurbüros Pfeffer, dem in Hessen führenden Anbieter für Planung und Projektierung von schlüsselfertigen Ortsnetzstationen. "Leider aber", fährt Matthias Pfeffer fort, "sind die Stromnetze für eine Zukunft, in der sich der Anteil regenerativer Energien noch deutlich erhöhen soll, derzeit noch nicht gerüstet." 2025 soll der Strom in Deutschland zu 45 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen - so der Plan der Bundesregierung; bis 2035 sollen es gar 60 Prozent sein. Schon der aktuelle Anteil von rund 25 Prozent allerdings überfordert die bestehenden Stromnetze immer wieder. Nicht ohne Grund: In Spitzenzeiten drücken vor allem Windkraft- und Photovoltaikanlagen Dutzende Gigawatt in die Leitungen. Und das an tausenden Stellen über das ganze Land verteilt. "Um die Stromflüsse der dezentralen und volatilen Quellen zu managen und damit die Stromversorgung stabil zu halten, sind intelligente Systeme nötig, die alle Bestandteile eines Stromnetzes miteinander verbinden: Erzeuger, Speicher und Verbraucher", erläutert Matthias Pfeffer. Er sieht die Priorität für den Ausbau des bestehenden zu einem intelligenten Stromnetz darum nicht nur bei den großen Übertragungsnetzen, sondern auch auf Ebene der Niederspannung. Denn dort, so Pfeffer, speisen die Anlagen ihren Strom ein und dort befinden sich die Verbraucher. "Intelligente Ortsnetzstationen werden darum bei der Energiewende eine Schlüsselstellung einnehmen."
Radikal veränderte Anforderungen
Auch für das Ingenieurbüro Pfeffer bedeute diese Entwicklung einen Paradigmenwechsel. Als Fritz Pfeffer das Ingenieurbüro 1975 im Städtchen Rödermark gründete, mussten Ortsnetzstationen einfach und wirtschaftlich sein: Stationsgebäude, Mittelspannungsschaltanlage, konventioneller Transformator, Niederspannungsverteilung - mehr als diese klassischen Bestandteile der Primärtechnik waren nicht erforderlich. So lernte es auch Matthias Pfeffer, der schon vor dem Studium der Elektrotechnik in der Firma half. 1996 dann übernahm der Junior die Geschäfte, sein Diplom hatte er da schon lange in der Tasche. Mit einem Team von inzwischen 15 Mitarbeitern plant und realisiert Matthias Pfeffer bis heute schlüsselfertige Trafostationen, saniert und erweitert bestehende oder liefert einzelne Komponenten. Die ingenieurtechnischen Herausforderungen dazu haben sich indes radikal verändert. "Für den Strommarkt von Morgen müssen wir schon heute die klassische Primärtechnik mit intelligenter Sekundärtechnik verknüpfen - und das normenkonform und betriebssicher. Messen, Fernwirken, Steuern und Regeln - für Versorger müssen diese Schritte durch die Sekundärtechnik möglich werden. Obendrein gilt es, die zahlreichen Informationen über den Zustand der Station übersichtlich zu visualisieren", umschreibt Matthias Pfeffer die neuen Anforderungen. Vor rund drei Jahren begann sein Team mit der Entwicklung verschiedener Lösungen, die genau das leisten. Eines der Ergebnisse dieser Entwicklungsleistung steht direkt vor dem unlängst neu gebauten Firmengebäude des Ingenieurbüros Pfeffer in Rödermark: die intelligente Musterstation. Ebenso wie herkömmliche Ortsnetzstationen verbindet die intelligente Musterstation das Mittel- mit dem Niederspannungsnetz. Im Gegensatz zu ihren wenig schlauen Pendants aber ermöglicht sie das Management der Stromflüsse, zum Teil sogar automatisiert. "Man könnte sagen, wir haben Kilowatt und Kilobyte miteinander verschmolzen", sagt Matthias Pfeffer. Das normenkonforme Stationsgebäude der Musterstation stammt von der Firma Betonbau, die Primärtechnik, die Kilowatt (MS und Trafo), kommen von unterschiedlichen Herstellern, die Niederspannungsverteilung von Driescher Moosburg/Eisleben. Die Sekundärtechnik, die Kilobyte, kommt u.a. von Wago. "Unsere Produkte können in dieser Anwendung ihre besonderen Vorteile ausspielen", sagt Tarak Viol, der als Technischer Vertriebsberater von Wago bei der Auswahl der passenden Komponenten für die Intelligente Musterstation zur Seite gestanden hat. "Ihre Offenheit gegenüber unterschiedlichsten Kommunikationsstandards und ihre Modularität." Für Matthias Pfeffer waren das allerdings nicht die alleinigen Gründe, um sich für die Zusammenarbeit mit dem Mindener Automatisierungsspezialisten zu entscheiden: "Wago ist sowohl in der Fernwirktechnik als auch im Bereich Messen und Steuern zu Hause. Zudem bietet das Unternehmen eine webbasierte Visualisierungslösung auf Codesys-Basis. Nicht unwichtig war für uns außerdem, dass Wago sich dazu bereit erklärt hat, gemeinsam mit uns eine gute und solide Lösung auszuarbeiten, die der Energiemarkt wirklich benötigt."
Zuverlässig auch unter extremen Bedingungen
In der intelligenten Musterstation sind Komponenten der neuen 750er-XTR-Serie von Wago verbaut. Auf sie ist auch unter extremsten Bedingungen Verlass. XTR stellt den Betrieb auch bei Temperaturen von -40 bis +70°C sicher. Für Matthias Pfeffer ein wichtiger Aspekt: "Wir müssen nicht nur normative Vorgaben im Bereich Personen- und Sachschutz im Auge behalten, sondern auch Vorgaben hinsichtlich der Temperaturentwicklung innerhalb der Station", erläutert er. Im Sommer könnten die Temperaturen im Innern einer Station leicht auf mehr als 50°C steigen. Die Produkte zahlreicher Hersteller könnten dafür unter Umständen nicht ausgelegt sein, weiß Pfeffer, denn er hatte die Möglichkeit, die Temperaturbelastung der Komponenten zu testen, bevor er sich für XTR von Wago entschied: "Unser langjähriger Partner, die Firma Betonbau, führender Hersteller von normenkonformen Technikgebäuden, verfügt über ein eigenes Wärmeprüffeld mit dem sich das Unternehmen frühzeitig auf die Anforderungen aus einem sich radikal ändernden Netzumfeld vorbereitet hat. Damit ist es möglich, die iONS Wärmeläufen zu unterziehen und gezielt zu optimieren." Die smarten Herzstücke der Musterstation sind auf der Mittelspannungsseite ein XTR-Controller sowie die Steuerung PFC200 aufseiten der Niederspannung. Die mit Codesys frei programmierbaren Steuerungen sammeln über digitale und analoge Signale sowie beispielsweise über Modbus RTU alle Daten der unterschiedlichen Systeme der Station ein, übersetzen sie in die vom Versorger benötigten Kommunikationsprotokolle, wie beispielsweise IEC60870-5-101/-104 oder IEC61850, und schicken sie über eine Datenleitung zur Leitwarte. In der entgegengesetzten Richtung kann von der Leitwarte über die Controller auf die Systeme der Station, wie die Mittelspannungsschaltanlage, Schutzgeräte oder die Messsysteme verschiedener Hersteller, zugegriffen werden. Vor unautorisierten Zugriffen wird der Datenfluss dabei über die Wago-Controller geschützt - zum einen durch die Verschlüsselung der Daten mittels TLS1.2, zum anderen durch speziell gesicherte Verbindungen, wie IPsec oder OpenVPN gemäß BDEW-Whitepaper. Dass bei der Musterstation von Pfeffer zwei Controller zum Einsatz kommen, hat seinen Grund: "Mit den zwei Controllern wollen wir die Modularität des Gesamtsystems darstellen", erläutert Marco Genehr, der bei Pfeffer gemeinsam mit Jürgen Starck Technik und Vertrieb verantwortet. Denn es sei durchaus vorstellbar, dass Versorger in einem ersten Schritt mit einem Controller einen intelligenten Niederspannungsknoten realisieren und erst später die Mittelspannungsschaltung mit Sekundärtechnik aufrüsten. Für die komplette Lösung, reiche in der Regel jedoch eine Steuerung aus, so Genehr. Weitere Bestandteile der intelligenten Musterstation sind diverse Kurz- und Erdschlussanzeiger, die über eine serielle Schnittstelle via Modbus an den XTR-Knoten angebunden sind. Alle wichtigen Messgrößen bei den Abgängen auf der Niederspannungs-Seite, wie z.B. Energieverbrauch, Strom, Spannung, Blindleistung und Phasenlage, werden über Wagos 3-Phasen-Leistungsmessklemmen erhoben - entweder über klassische Stromwandler oder mittels Rogowski-Spulen. Hinzu kommen Temperaturfühler und weitere Sensoren, die an diverse digitale und analoge Ein- und Ausgangsklemmen des Wago-I/O-Systems angebunden sind.
Lösungen für Neubau oder Sanierung
Rund 600.000 Ortsnetzstationen verteilen sich auf das gesamte Bundesgebiet. Beim Ausbau zum intelligenten Stromnetz müssen nicht alle dieser Stationen intelligent werden. Und diejenigen, die es müssen, können unter Umständen nachgerüstet werden. Bevor die Entscheidung zu Neubau oder zur Sanierung getroffen wird, müssen alle Bestandteile einer Trafostation bestehend aus Technikgebäude, MS-Verteilung, NS-Verteilung und Transformator ganzheitlich betrachtet werden. Bei Bestandsstationen, die heute als nicht mehr normenkonform betrachtet werden müssen, ist der Personen- und Sachschutz ein wichtiges Thema. Für Räume, in denen keine Druckbeanspruchung auftreten darf, empfiehlt Pfeffer die Minex ABSzero der Firma Driescher Wegberg. "Die Besonderheit dieser Lösung ist das Anti-Berst-System, das einen Lichtbogen im SF6-Kessel oder im luftisolierten Anschlussbereich der Schaltanlage in einen galvanischen Kurzschluss umwandelt", erläutert er. Auch der Sanierungslösung hauchen bei Bedarf Komponenten von Wago die notwendige Intelligenz ein. Allen voran auch hier ein gemäß DIN EN60870-2-1 spannungsfester 750er XTR-Controller, der alle Daten einsammelt, sie weitergibt und die Steuerung der Anlage aus der Ferne ermöglicht. Aber nicht nur aus der Ferne lässt sich die Station steuern - über ein Touchpanel können Wartungsteams die Funktionen der Anlage auch direkt in der Station bedienen - sogar per Tablet oder Smartphone. Sowohl die Neubauvariante als auch die Sanierung zur intelligenten Ortsnetzstation sind keineswegs starr: "Das Spannende unserer Lösungen ist, dass wir die Systeme beständig weiterentwickeln und sie an die jeweiligen Wünsche und Anforderungen unsere Kunden sowie an neue regulatorische Vorgaben anpassen", sagt Matthias Pfeffer. Konkret geplant sei etwa, die Musterstation in Zukunft aufseiten der Niederspannung nicht mehr mit dem Standard PFC200 von Wago auszustatten, sondern mit der XTR-Variante des PFC, die Wago seit Kurzem anbietet, oder die iONS mit einer Schnellladestation für Elektrofahrzeuge zu verknüpfen. So betrachtet ist die Musterstation aus Rödermark nicht nur intelligent, sie ist lebendig.
Gemeinsam für die Zukunft unserer Verteilnetze
Der intelligente Ausbau unseres Stromnetzes und die Integration von regenerativen Energien und Elektromobilität stellen Energieversorger und Industrie vor neue Herausforderungen; insbesondere im Bereich von Ortsnetzstationen. Hier müssen Primär- und Sekundärtechnik zusammenwachsen; und damit zwei Disziplinen, die bis dato getrennt voneinander betrachtet wurden; auf der Ebene der Komponenten, die innerhalb der Ortsnetzstation verbaut sind, ebenso wie auf Ebene der Menschen, die sich damit beschäftigt haben. Damit zukunftsfähige Lösungen entstehen, müssen interdisziplinäre Teams daran arbeiten. Das Ingenieurbüro Pfeffer kooperiert darum mit ausgewählten Partnern in verschiedenen Pilotprojekten. Einer dieser Partner ist Wago. Gemeinsam mit dem Mindener Unternehmen löst das Ingenieurbüro Pfeffer beispielsweise die Frage, wie sich Sekundärtechnik normenkonform integrieren lässt oder wie Fernwirktechnik sinnvoll genutzt werden kann? Diese und weitere Fragen beantwortet das Ingenieurbüro Pfeffer zusammen mit seinen Partnern in diversen Seminaren, zu denen das Unternehmen an den Firmensitz nach Rödermark einlädt. Die hauseigene Ausstellung zeigt auf rund 350m² Energietechnik auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite des Ingenieurbüros Pfeffer unter www.ipi-online.de.
Mit ihrer intelligenten Musterstation verknüpft das Ingenieurbüro Pfeffer normenkonform und betriebssicher die Primär- und Sekundärtechnik von Ortsnetzstationen. Dabei erfüllen Pfeffers Lösungen schon heute die Anforderungen an intelligente Ortsnetzstationen (iONS) von Morgen. Das Gehirn ihrer Lösungen beziehen die Hessen aus Minden - von der Firma Wago.
Ginge es nach Matthias Pfeffer, wäre ein Teil der heute bestehenden Energieversorgung sehr bald Geschichte. Nämlich der, in dem die Spannung unserer Stromnetze lediglich von der einen zur anderen Spannungsebene gewandelt wird, anstatt dabei intelligent gemanagt zu werden. "Unser Stromnetz ist sehr leistungsfähig", sagt der Kopf des Ingenieurbüros Pfeffer, dem in Hessen führenden Anbieter für Planung und Projektierung von schlüsselfertigen Ortsnetzstationen. "Leider aber", fährt Matthias Pfeffer fort, "sind die Stromnetze für eine Zukunft, in der sich der Anteil regenerativer Energien noch deutlich erhöhen soll, derzeit noch nicht gerüstet." 2025 soll der Strom in Deutschland zu 45 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen - so der Plan der Bundesregierung; bis 2035 sollen es gar 60 Prozent sein. Schon der aktuelle Anteil von rund 25 Prozent allerdings überfordert die bestehenden Stromnetze immer wieder. Nicht ohne Grund: In Spitzenzeiten drücken vor allem Windkraft- und Photovoltaikanlagen Dutzende Gigawatt in die Leitungen. Und das an tausenden Stellen über das ganze Land verteilt. "Um die Stromflüsse der dezentralen und volatilen Quellen zu managen und damit die Stromversorgung stabil zu halten, sind intelligente Systeme nötig, die alle Bestandteile eines Stromnetzes miteinander verbinden: Erzeuger, Speicher und Verbraucher", erläutert Matthias Pfeffer. Er sieht die Priorität für den Ausbau des bestehenden zu einem intelligenten Stromnetz darum nicht nur bei den großen Übertragungsnetzen, sondern auch auf Ebene der Niederspannung. Denn dort, so Pfeffer, speisen die Anlagen ihren Strom ein und dort befinden sich die Verbraucher. "Intelligente Ortsnetzstationen werden darum bei der Energiewende eine Schlüsselstellung einnehmen."
WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG
Dieser Artikel erschien in SCHALTSCHRANKBAU Schaltanlagenbau 1 2016 - 14.04.16.Für weitere Artikel besuchen Sie www.schaltschrankbau-magazin.de