Mitsubishi Electric Werke in Kani und Nagoya
Flexibilität schlägt Geschwindigkeit
Dass reine Geschwindigkeit in der Automatisierung nicht alles ist, belegt Mitsubishi Electric durch die Umstellung von der 'Automated Line' zur 'Human Cell' in seinem Werk im japanischen Kani. Dort lautet das Zauberwort: flexible Automatisierung. Auch an seinem Stammsitz in Nagoya setzt das Unternehmen auf außergewöhnlich automatisierte Produktionsstrukturen.
Artikelserie Monozukuri
Der japanische Begriff Monozukuri ist tief im Leitbild von Mitsubishi Electric verankert und lässt sich in etwa mit 'Die Kunst der Herstellung' ins Deutsche übersetzen. Die gleichnamige Artikelserie im SPS-MAGAZIN widmet sich in den kommenden Ausgaben folgenden Themen.
- • SPS-MAGAZIN 1+2/2016 - Mitsubishi Electric und die e-F@ctory-Allianz
- • SPS-MAGAZIN 3/2016 - Smart Factories in Nagoya und Kani
- • SPS-MAGAZIN 4/2016 - Global Player mit japanischen Wurzeln
Die Produktion von Mitsubishi Electric im Industriepark von Kani ist sozusagen ein Tochterwerk von Nagoya Works, dem Stammsitz des Unternehmens, und rund eine Stunde mit dem Auto entfernt. Das Werk in Kani wurde 1979 gebaut. Heute sorgen dort knapp 220 Angestellte sowie 27 Vetragszulieferer in der unmittelbaren Umgebung für eine entsprechende Auslastung der Produktionslinien, auf denen u.a. Motorstarter, Schütze, Schalter und Relais sowie Halbzeuge für andere Werke gefertigt werden.
80 Jahre Erfahrung in der Schaltertechnik
Durch eine Kooperation mit der Firma Westinghouse für den japanischen Markt - die bis in die 1950er-Jahre bestand - hat Mitsubishi Electric entsprechende Produkte seit dem Jahr 1923 im Programm. Entsprechend bündelt der Hersteller mittlerweile mehr als 80 Jahre Erfahrung aus 18 Produktgenerationen und 14.000 Varianten in Kani und erreicht mit seinen Schaltern in Japan einen Marktanteil von rund 40 Prozent. Da es bei diesen Produkten um deutlich niedrigere Verkaufspreise und Margen geht, als z.B. bei Frequenzumrichtern oder Steuerungen, muss die Fertigung besonders effizient sein. Deswegen wurden die Motorschalter der MS-N-Baureihe bis Ende 2015 über rund 20 Jahre auf einer hochautomatisierten aber starren Produktionslinie montiert. Bereits auf den Einsatz von Robotern ausgelegt wurde die Anlage damals vollkommen State-of-the Art konstruiert - aber nach heutigen Aspekten nicht flexibel genug. So verband die Produktionslinie zwar Vorteile bei der Geschwindigkeit - die fertigen Einheiten verließen die Anlage im 5s-Takt - mit niedrigen Prozesskosten und einer hohen Produktivität. Demgegenüber standen aber Eigenschaften, die heutige Ansprüche an die Fertigung nicht zur Zufriedenheit abbilden konnten. Beispielsweise war eine Umstellung der Produktion nur sehr aufwendig und zeitintensiv möglich und der Ansatz der modernem Mass Customization - also der Fertigung verschiedener Varianten auf einer Linie - schwierig darzustellen. Dazu kamen großer Bauraum, hohe Platz- und Anlagenkosten und regelmäßige Stillstände, z.B. um Material nachzufüllen. Darüber hinaus waren drei Arbeiter an der Linie beschäftigt: Einer für die Zuführung, einer für die Kombination von Unter und Oberschale als Vorbereitung für das maschinelle Verpressen und einer für die visuelle Endkontrolle.
Flexibles Fertigungs-Eco-System
Im Rahmen der Entwicklung der neuen MS-T-Schalterserie stellte Mitsubishi Electric auch den Produktionsprozess in Kani auf ein völlig neues Fundament, die Fertigungsmethode wurde grundlegend geändert. Ziel war ein hochproduktives aber flexibles Fertigungs-Eco-System, abgestimmt auf die Bedürfnisse der Kunden und mit einem passenden Zusammenspiel von Montagetechnik, Mitarbeitern und Umwelt. Ein vorteilhafter Nebeneffekt war dabei, dass der Hersteller die Gehäusevarianten bei der neuen Baureihe im Vergleich zur Vorgängerbauserie MS-N um 50 Prozent reduzieren konnte. Roadmap und Entwicklung von Produkt und Produktionsanlage erfolgten parallel und nahmen insgesamt rund zwei Jahre in Anspruch. Seit 2012 ist die neue Anlage fertig und präsentiert sich durchgängig integriert und lean: Sie realisiert 50 Prozessschritte in nur sechs Stationen. Der Maschinentakt ist mit 15s zwar deutlich langsamer als vormals, die Produktivität ist aber ungleich höher. Wie das geht? Statt der platzintensiven und starren Anlage setzt Mitsubishi Electric jetzt auf ein flexibles Fertigungskonzept mit sechs Robotern und einem Werker im Mittelpunkt, für Teilezufuhr und Endkontrolle. Und weil locker drei der modernen Produktionsinseln auf dem Bauraum der bisherigen Linie Platz finden, erreicht die Schalterproduktion einen höheren Ausstoß, bei besserer Qualität. Dazu trägt auch ein individueller QR-Code auf jedem Schaltergehäuse bei, der eine lückenlose Traceability jedes Produkts über den gesamten Produktionsprozess sicherstellt. Ergänzt wird diese Vorgehensweise - mit durchgehender Umsetzung des e-f@ctory-Ansatzes - um eine papierlose Dokumentation sowie zukunftsweisende Instandhaltungskonzepte, wie den sogenannten Feedback Loop over cyberphysical Interface. Bei Letzterem handelt es sich um permanente Speicherung und Abgleich der Inline-Produktionsdaten mit digital im Fertigungsleitsystem hinterlegten Werten als Basis für Qualitätssicherung, Condition Monitoring und Instandhaltung. Theoretisch lassen sich 600 verschiedene Schaltertypen auf den Produktionsinseln fertigen, rund 100 sinnvolle Varianten sind es in der Praxis.
Musterwerk auf sechs Etagen
Eine weitere Musterfabrik von Mitsubishi Electric steht am Hauptproduktionssitz des Unternehmens im japanischen Nagoya. Dort hat das Unternehmen im Jahr 2013 eine Musterfabrik auf sechs Etagen realisiert, die durchgängig nach Gesichtspunkten des e-F@ctory-Ansatzes sowie Kanban- und Kaizen-gerecht realisiert wurde. Hier entstehen SPSen, HMIs und Power-Module - und zwar von oben nach unten. Die Reise beginnt auf der sechsten Etage mit der Bestückung der Leiterplatten auf insgesamt 16 vollautomatisierten SMT-Produktionslinien - zwei davon für Panels, zwei für Leistungselektronik und ganze zwölf für die Steuerungen. Einen Stock tiefer werden letzte Bauteile per Hand ergänzt, die Leiterplatten 100 Prozent inline getestet und die Nutzen anschließend separiert. Entsprechend setzt sich die Reise der Geräte fort, bis die fertigen Komponenten auf der ersten Etage verpackt und kommissioniert werden. Mit 400 Mitarbeitern und einer Fertigungsfläche von insgesamt 26.000m² bringt es das Gebäude mit dem Namen H4 auf Produktionszahlen von rund 300.000 Geräten pro Monat.
Automatisiert und erdbebensicher
Den Stammsitz in Nagoya, auf dessen Gelände das H4-Werk steht, gibt es bereits seit 1924. Dort ist ein großer Teil der Produktionshallen denkmalgeschützt, was dem Areal eine besondere Atmosphäre verleiht: Hier entsteht moderne Automatisierungstechnik in historischen Gebäuden und in diesem Sinne wird Hightech kombiniert mit Tradition - letzteres ist ein sehr wichtiger Punkt für das Selbstverständnis japanischer Unternehmen. Aber in Hinsicht neuer Produktionsanlagen ist die Historie eher ein hinderlicher Aspekt. Denn genauso wie in Europa und Deutschland, kann Denkmalschutz auch in Japan Modernisierungspläne zur Herausforderung machen. Neue Gebäude zu errichten ist für Mitsubishi Electric also leichter gesagt als getan. Weil der Platz so kostbar ist, wurde die Not zur Tugend gemacht und das SPS-Werk H4 entsprechend nach oben gezogen. Mit 31m Höhe muss es in Japan aber spezielle Anforderungen erfüllen, die hierzulande vernachlässigbar sind: Gebäude und Produktion müssen erdbebensicher sein. In der Folge ist das Werk nach neuesten Kriterien konstruiert und ruht auf einem Rahmen, der nur über eine Vielzahl von Gummi- und Stahlfeder-Stoßdämpfern mit dem Boden verbunden ist. So kann das Gebäude Schwingungen von rund einem halben Meter ausgleichen und soll damit Erdbeben standhalten, die über die Stärke des Tohoku-Bebens von 2011 hinausgehen. Bei leichten Erdstößen muss man die Produktion aufgrund der Bauweise gar nicht stoppen.
Dass reine Geschwindigkeit in der Automatisierung nicht alles ist, belegt Mitsubishi Electric durch die Umstellung von der 'Automated Line' zur 'Human Cell' in seinem Werk im japanischen Kani. Dort lautet das Zauberwort: flexible Automatisierung. Auch an seinem Stammsitz in Nagoya setzt das Unternehmen auf außergewöhnlich automatisierte Produktionsstrukturen.
Artikelserie Monozukuri
Der japanische Begriff Monozukuri ist tief im Leitbild von Mitsubishi Electric verankert und lässt sich in etwa mit 'Die Kunst der Herstellung' ins Deutsche übersetzen. Die gleichnamige Artikelserie im SPS-MAGAZIN widmet sich in den kommenden Ausgaben folgenden Themen.
- • SPS-MAGAZIN 1+2/2016 - Mitsubishi Electric und die e-F@ctory-Allianz
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Die Produktion von Mitsubishi Electric im Industriepark von Kani ist sozusagen ein Tochterwerk von Nagoya Works, dem Stammsitz des Unternehmens, und rund eine Stunde mit dem Auto entfernt. Das Werk in Kani wurde 1979 gebaut. Heute sorgen dort knapp 220 Angestellte sowie 27 Vetragszulieferer in der unmittelbaren Umgebung für eine entsprechende Auslastung der Produktionslinien, auf denen u.a. Motorstarter, Schütze, Schalter und Relais sowie Halbzeuge für andere Werke gefertigt werden.
Mitsubishi Electric Europe B.V.
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 3 2016 - 01.03.16.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de