Gemeinschaftsprojekt Industrie 4.0
Industrie 4.0 geht alle an
Industrie 4.0 ist in aller Munde. Thomas Lantermann ist davon überzeugt, dass es sich hierbei um keine Luftnummer handelt. Denn wer hier trödelt, verspielt schnell seinen Vorsprung auf dem Weg in die Automatisierungszukunft.
Wären die Menschen auf dem Mond gelandet, wenn es den Wettstreit zwischen den Supermächten in den 1960er Jahren nicht gegeben hätte? Wenn J. F. Kennedy nicht die Vision gehabt hätte, zum Ende des Jahrzehnts den Mond für die USA erobert zu haben? Unsere Bundesregierung in Form von Angela Merkel hat zu Beginn unseres Jahrzehntes auch eine solche Vision ins Leben gerufen, die von der Wirtschaft aufgenommen und vorangetrieben wird: Industrie 4.0. Diese sogenannte vierte industrielle Revolution hat weltweit zunächst nur Lächeln hervorgerufen und wurde als Marketing Promotion abgetan. Nachdem sich aber Bitkom, VDMA und ZVEI als führende Automatisierungsverbände Deutschlands zusammengeschlossen haben und kontinuierlich an der Vision arbeiten, ist das Interesse der anderen führenden Industrieländer geweckt worden. Die Organisationen haben sich zur Plattform Industrie 4.0 zusammengefunden und gemeinsame Arbeitsgruppen definiert, um den Herausforderungen der nächsten Jahre gewachsen zu sein. Die einzelnen Gruppen sind:
- • AG 1 Strategie und Framework
- • AG 2 Referenzarchitektur, Standardisierung und Normung
- • AG 3 Forschung & Innovation
- • AG 4 Sicherheit vernetzter Systeme
Unterstützt werden diese Arbeitsgruppen durch die Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) und für Wirtschaft und Technologie (BMWi). In Sachen Normung ist die DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) mit beratender Funktion im Team. Durch diesen ganzheitlichen Ansatz und die Zusammenarbeit der Organisationen ist die Plattform Industrie 4.0 auf eine breite Basis gestellt worden. Dies gilt für die technische Kompetenz, aber auch für die gesellschaftliche Akzeptanz. Dieser deutsche Ansatz ist längst zum europäischen geworden.
Auch Amerika denkt um
In Amerika ist nun auch ein Umdenken zu erkennen. Die Wertschöpfung eines Landes kann nicht nur auf Dienstleistungen aufbauen, sie muss auch produziert werden. Deshalb muss in den Hochlohnländern die industrielle Fertigung optimiert werden. Personalisierte Produkte, wie ein iPhone mit individuellem Wunsch-Design oder spezielle Sonderausstattung im Auto, also die Losgröße Eins, versprechen die größten Margen und Wachstumsraten. Deshalb sind in den Vereinigten Staaten Industrie 4.0 nachempfundene oder eigene Ansätze ins Leben gerufen worden. Ein Vorteil für Deutschland ist, dass es in Amerika noch diverse Lösungsansätze gibt und man noch nicht gemeinsam an einem Strang zieht. Der bedeutendste von der US-Regierung gestützte Ansatz dürfte der Advanced Manufacturing Partnership (AMP) sein. Es handelt sich dabei um eine übergreifende Partnerschaft zwischen Industrie, Wissenschaft und der sponsernden Regierung. Hierbei sollen neue Herausforderungen zur Verbesserung von Technologien, Prozessen und Produkten über die verschieden produzierenden Unternehmen gemeistert werden. Ähnlich wie in Deutschland werden hier diverse 'Working Teams' unter der Führung des Massachusetts Institute of Technology (MIT) etabliert. Auch namhafte Automatisierungsanbieter aus Deutschland arbeiten mit. Ein weiterer Zusammenschluss ist das Industrial Internet Consortium (IIC), gegründet von den Firmen AT&T, Cisco, General Electric, IBM und Intel. Diese Partnerschaft hat sich zum Ziel gesetzt, Abläufe und Daten einfacher zu verknüpfen und zu optimieren, um Geschäftsprozesse quer durch alle Industriezweige zu verbessern. Industrie 4.0 ist im Wesentlichen ein Software-Ansatz und in den USA sitzen die umsatzstärksten und erfolgreichsten Software-Unternehmen der Welt. Wenn diese Kompetenz gebündelt würde, könnte der europäische Ansatz, der viele Ähnlichkeiten mit den amerikanischen Ideen hat, ins Hintertreffen geraten.
China im Auge behalten
China mit seinem Fünfjahresplan 'High End Manufacturing Equipment' und den finanziellen Möglichkeiten sollte man ebenfalls nicht aus dem Auge verlieren. Auch hier werden die amerikanischen und europäischen Ideen Einzug finden. Japan und die anderen globalen Märkte verhalten sich noch abwartend. Man betrachtet die jeweiligen Ansätze mit großem Interesse. Deshalb ist es so wichtig, in Deutschland die Entwicklung von Industrie 4.0 vom theoretischen Marketing und Powerpoint-Status in Richtung praktischer, realer Lösungen sowie Richtlinien und Normen zu treiben. Falls uns dies nicht in Kürze gelingt, werden der deutsche und der europäische Markt nachhaltig an Glaubwürdigkeit und Einfluss verlieren. Das würde letztendlich unserem Status als Exportweltmeister schaden.
Standardbeschreibung für Industrie 4.0
Technisch gesehen ist die größte Aufgabe der Verbandsplattform einen Industrie-4.0-Komponentenstandard zu definieren. Diese Beschreibung muss von der Prozessindustrie bis zur Automobilproduktion, von der Automatisierungslösung bis hin zur IT-Komponente anwendbar sein. Wenn man die Anforderungen an eine Shop-Floor-Industrie 4.0-Komponente, z.B. eine Werkzeugmaschine, betrachtet, so reden wir hier von Eigenschaften wie maximale Werkstückgröße, Schneidegeschwindigkeit oder Genauigkeit. Die Eigenschaften einer IT-Komponente, bei einem Management Execution System (MES) zum Beispiel Anzahl der Tasks oder Planungstiefe, sind sehr unterschiedlich. In diversen Standards, beispielsweise AutomationML, haben sich diese Probleme auch ergeben. Durch Erfahrungen bei der Normierung wird es den Arbeitsgruppen sicherlich bald gelingen, dieses Problem zu lösen und ihre Ergebnisse in eine Norm umzusetzen. Damit wäre der Weg für Industrie 4.0 bereit. Die Kommunikation zwischen solchen Industrie-4.0-Komponenten sollte auf den bestehenden Standards in Industrie und IT basieren. Profinet, DeviceNet, Ethercat oder CC Link haben sich in der Shop-Floor-Welt gut bewährt, sind in der Enterprise-Welt aber sicher nicht sehr effektiv. Ebenso sind die Ethernet-Netzwerke aus dem Office-Bereich mit ihrem nicht-deterministischen Ansatz nicht in der Produktion zu gebrauchen. IT-Echtzeit ist nicht unbedingt gleich Produktionsechtzeit.
Wände zwischen den Welten
Dieses Verständnisproblem zwischen IT- und Shop-Floor führt zu einem spannenden Ansatz, den man zurzeit sehr konträr diskutiert. Die Lösung könnte darin liegen, eine Schnittstelle für die Industrie- 4.0-Komponente gemäß dem OSI-Modell zu definieren und offene Schnittstellen für die Kommunikation zwischen solchen Komponenten zuzulassen. So könnte man im Enterprise-Bereich die Ethernet-Kommunikation weiterhin für große Datenmengen und im Shop-Floor-Bereich die deterministischen Feldbusse benutzen. Dass diese in Zukunft mehrheitlich auf Ethernet basieren, kann hier nur von Vorteil sein. Die besondere Herausforderung im Industrie-4.0-Ansatz liegt an den noch immer existierenden Wänden zwischen der IT und Produktion. Beide Welten müssen aufeinander zugehen, ein gemeinsames Verständnis für die Bedürfnisse und Anforderungen der Anderen entwickeln und nicht kurzfristig den Vorteil in der Verbreitung ihrer eigenen Lösung suchen. Bundesregierung und Verbände sind hier in der Verpflichtung, engstirnige Partner in den Arbeitsgruppen zurück zur Umsetzung der Vision zu bringen. Es geht nicht darum, die Komponenten einer bestimmten Firma besser am Markt zu platzieren.
Existierende Hardware nutzen
Wie sieht nun die Zukunft der Steuerungs- und Automatisierungstechnik im Rahmen von Industrie 4.0 aus? Hat die SPS noch Zukunft? Werden intelligente Sensoren und Aktoren die Motion- und Roboter-Controller ersetzen? Sind die Steuerungen für Industrie 4.0 bereit? Da Industrie 4.0 ein Software-Ansatz ist, können die Industrie-4.0-Komponenten auf existierender Hardware ausgeführt werden. Die Shop-Floor-Netzwerke sind vorhanden und ebenso die Protokolle zum Datenaustausch mit der MES/ERP-Welt. Eigenschaftsbeschreibungen der Protokolle und Komponenten existieren heute auch bereits und werden von den NC-Steuerungen bis hin zur SPS unterstützt. Beispiele sind die XML-basierten Definitionen von AutomationML oder das Weihenstephaner Protokoll. Der Lösungsansatz der IEC61499 über die verteilte Intelligenz in der Produktion, sollte hier viel mehr Beachtung bekommen. Egal ob Vision-System oder intelligenter Sensor, ob SPS oder Motion-Steuerung: Im Prinzip enthalten all diese Komponenten eine Rechner- und Speichereinheit. Letztendlich ist es egal, wo ein Programm ausgeführt wird, solange die Ressource ausreichend Leistungsfähigkeit hat, um die Daten zu verarbeiten und anderen Einheiten bereitzustellen. Smarte, also intelligente Software-Lösungen sind auch hier gefragt.
Software ist der Schlüssel
Software ist der Schlüssel für die Produktivität der Zukunft. Zuverlässige SPSen werden mit der richtigen Software für Industrie 4.0 auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil der Automatisierungswelt sein. Doch Bundesregierung und Industrie müssen Hand in Hand arbeiten, um mehr qualifizierte Software-Entwickler auszubilden. So lässt sich unsere Kompetenz bezüglich der Industrieautomation im Rahmen von Industrie 4.0 weiter stärken. Amerika ist an dieser Stelle besser aufgestellt als Europa. Wir könnten unseren Technologievorsprung leicht verspielen, wenn die deutschen Firmen engstirnig ihre eigenen Interessen verfolgen und die große Vision Industrie 4.0 aus dem Auge verlieren. Zunächst müssen wir natürlich an Deutschland und Europa denken. Wir exportieren aber auch nach Amerika, Asien und den Rest der Welt. Deshalb ist es wichtig, unsere Ideen auch mit diesen Märkten zu teilen, um auch weiterhin dort erfolgreich zu sein. Deutsche Firmen arbeiten mit Unternehmen in Amerika zusammen, Mitsubishi Electric Europe arbeitet an der Plattform Industrie 4.0 mit.
Brücken bauen
Aus meiner persönlichen Sicht treibt der Weltwettbewerb um die beste Lösung für die Industrie das Thema voran. Die globalen Probleme der Weltbevölkerung, an dieser Stelle sind nicht nur Ernährung und Gesundheit zu nennen, könnten durch ein stärkeres Miteinander besser gelöst werden. Die Abgrenzung einzelner Länder und Kontinente wird hier nicht weiterhelfen. Die unterschiedlichen Ansätze zur Steigerung der Produktivität in den Ländern sind sehr ähnlich. Rechtzeitig Brücken zu bauen ist besser als später Wände einzureissen.
Industrie 4.0 ist in aller Munde. Thomas Lantermann ist davon überzeugt, dass es sich hierbei um keine Luftnummer handelt. Denn wer hier trödelt, verspielt schnell seinen Vorsprung auf dem Weg in die Automatisierungszukunft.
Wären die Menschen auf dem Mond gelandet, wenn es den Wettstreit zwischen den Supermächten in den 1960er Jahren nicht gegeben hätte? Wenn J. F. Kennedy nicht die Vision gehabt hätte, zum Ende des Jahrzehnts den Mond für die USA erobert zu haben? Unsere Bundesregierung in Form von Angela Merkel hat zu Beginn unseres Jahrzehntes auch eine solche Vision ins Leben gerufen, die von der Wirtschaft aufgenommen und vorangetrieben wird: Industrie 4.0. Diese sogenannte vierte industrielle Revolution hat weltweit zunächst nur Lächeln hervorgerufen und wurde als Marketing Promotion abgetan. Nachdem sich aber Bitkom, VDMA und ZVEI als führende Automatisierungsverbände Deutschlands zusammengeschlossen haben und kontinuierlich an der Vision arbeiten, ist das Interesse der anderen führenden Industrieländer geweckt worden. Die Organisationen haben sich zur Plattform Industrie 4.0 zusammengefunden und gemeinsame Arbeitsgruppen definiert, um den Herausforderungen der nächsten Jahre gewachsen zu sein. Die einzelnen Gruppen sind:
- • AG 1 Strategie und Framework
- • AG 2 Referenzarchitektur, Standardisierung und Normung
- • AG 3 Forschung & Innovation
- • AG 4 Sicherheit vernetzter Systeme
Unterstützt werden diese Arbeitsgruppen durch die Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) und für Wirtschaft und Technologie (BMWi). In Sachen Normung ist die DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) mit beratender Funktion im Team. Durch diesen ganzheitlichen Ansatz und die Zusammenarbeit der Organisationen ist die Plattform Industrie 4.0 auf eine breite Basis gestellt worden. Dies gilt für die technische Kompetenz, aber auch für die gesellschaftliche Akzeptanz. Dieser deutsche Ansatz ist längst zum europäischen geworden.
Mitsubishi Electric Europe B.V.
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN HMIS 2015 - 02.04.15.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de